Hygienemanagement in Altenpflegeeinrichtungen
Die Pressemeldungen zu Hygiene-Skandalen, Killer-Keimen MRSA, mangelnder Desinfektion reißen nicht ab. Dabei sind Hygienemängel nicht nur mit hohen Kosten sowie mit straf- und zivilrechtlichen Folgen für die Betroffenen verbunden, sondern auch mit einem negativen Image der Pflege in der Öffentlichkeit und Verunsicherung der Bevölkerung. Die noch immer zu hohe Zahl von 500.000 nosokomialen Infektionen jährlich in Deutschland muss alle Beteiligten zu einem weiteren Engagement in der Infektionsprophylaxe und -therapie veranlassen.
Die konsequente Umsetzung der gesetzlichen Hygienevorschriften kann helfen, negative Schlagzeilen im Vorfeld zu verhindern. Dabei liegt die grundsätzliche Verantwortung für die Umsetzung gesetzlicher und richtlinienrelevanter Hygienemaßnahmen bei der Geschäftsführung bzw. Heimleitung im Zusammenwirken mit der Pflegedienstleitung und dem Hygienebeauftragten. Für Einrichtungen des Gesundheitswesens ergeben sich die hygienerechtlichen Grundlagen an alle Beteiligten insbesondere aus folgenden Gesetzen und Verordnungen:
Infektionsschutzgesetz (IfSG)
Patientenrechtegesetz
Richtlinien des Robert Koch-Institutes (RKI) und der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention
Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz
Jugend- und Arbeitsschutzgesetz
Mutterschutzgesetz
Strahlenschutzverordnung
Medizinproduktegesetz
Vorschriften der Hygieneverordnungen der Länder
Unfallverhütungsvorschriften
Auflagen der Berufsgenossenschaften
Technische Regel für biologische Arbeitsstoffe TRBA 250
Somit ist Hygiene ein unverzichtbarer Baustein der Qualitätssicherung und rechtliche Herausforderung für die Verantwortlichen. Alle Einrichtungen des Gesundheitswesens sind zur Qualitätssicherung verpflichtet. Sie haben ihre Leistungen gemäß gesetzlichem Auftrag nach den anerkannten Standards und Regeln der Medizin und Pflegewissenschaft zu erbringen und weiterzuentwickeln. Nach diesen Regeln ist qualitätsgesichertes Arbeiten ohne Einhaltung der Hygiene nicht möglich. Dabei soll Hygiene keinesfalls als bloße betriebswirtschaftliche Notwendigkeit verstanden werden, sondern als vertraglich garantierte Leistung dem Bewohner gegenüber, dass sämtliche personelle und organisatorischen Maßnahmen in seinem Sinne geregelt werden. Die besondere Notwendigkeit zur Infektionsverhütung in Altenpflegeeinrichtungen ist das erhöhte Infektionsrisiko der Bewohner, verursacht durch Multimorbidität, Immunschwäche und das fortgeschrittene Alter. Auf der anderen Seite ist der Träger verpflichtet das eigene Personal zu schützen. Dafür muss das Gefährdungspotenzial analysiert werden, um eventuelle Gefährdungsquellen auszuschalten.
Damit Hygiene funktioniert, müssen die hierfür nötigen Voraussetzungen und Prozesse etabliert, organisiert und kontrolliert werden. Alle Maßnahmen, die dazu dienen, sind Teil des Hygienemanagements. Die wesentlichen Module für den stationären Altenpflegebereich in Zusammenhang mit der Thematik Hygiene werden nachfolgend näher beleuchtet.
Hygienebeauftragter
Im Einvernehmen mit dem Träger bzw. der Leitung der Pflegeeinrichtung nimmt der Hygienebeauftragte folgende Aufgaben wahr:
- fach- und sachgerechte Umsetzung der verschiedenen gesetzlichen Vorgaben zur Hygiene
- Überwachung der Einhaltung der Regeln
- Mitwirkung bei der Erkennung und Bekämpfung von nosokomialen Infektionen
- Beratung bei der Auswahl hygienerelevanter Verfahren und Produkte
- Schulung und praktische Anleitung des Personals
Der Erwerb der Qualifikation zum Hygienebeauftragten im Rahmen einer staatlich anerkannten Weiterbindung umfasst mindestens 200 Stunden.
Expertenstandard
Der im November 2002 verabschiedete »Nationale Expertenstandard Entlassungsmanagement in der Pflege« des Deutschen Netzwerks für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) richtet sich an Pflegefachkräfte der Altenpflege, Krankenpflege und Kinderkrankenpflege. Dieser Expertenstandard ist seither verbindlich für alle Pflegenden in Deutschland. Mit seiner Hilfe sollen Versorgungsbrüche bei der Entlassung, gesundheitliche Risiken des Patienten, negative Auswirkungen für die Angehörigen und Folgekosten vermieden werden.
Schwerpunkte der Hygienestandards im Pflegebereich:
- Persönlicher Schutz
- Handschuhe, Schutzkittel, Plastikmütze, Mund-/Nasenschutz, ggf. Schutzbrille
- Händehygiene (vor und nach direktem Patientenkontakt, nach dem Ausziehen von Schutzhandschuhen)
- Pflegeutensilien
- Aufbereitung, Reinigung, Desinfektion und Entsorgung
- Einmalartikel
- Medizinprodukte – Aufbereitung nach Kontamination
- Wäsche – Wechseln, Einsammeln und Desinfizieren der Wäsche
- Flächendesinfektion und –reinigung, Abfallentsorgung
- Sichere Injektionstechnik
- Anwendung aseptischer Arbeitstechniken bei Injektionen, Punktionen und Wundversorgung
- Vermeidung von Nadelstichverletzungen
- Vorgehen bei erkennbarem Infektionsrisiko, z. B. Verlegung in Einzelzimmer
Hygieneplan
Zur Anfertigung von Hygieneplänen verpflichtet § 36 des Infektionsschutzgesetzes und § 1 des Heimgesetzes. Erstellt wird der Hygieneplan durch Fachpersonal mit entsprechendem Wissen, z.B. Hygienefachkraft oder Hygienebeauftragter.
Der Hygieneplan umfasst alle einrichtungsspezifischen hygienerelevanten Abläufe und Prozesse, die in der Einrichtung erbracht werden. Somit sollte der Hygieneplan nur jene Abläufe beschreiben, die in der Einrichtung tatsächlich vorkommen. Darüber hinaus sollte der Hygieneplan für alle Mitarbeiter frei zugänglich sein und zwar dort, wo er auch gesehen wird. Der Hygieneplan ist ein wertvolles Hilfsmittel zum sicheren Arbeiten, das Leitungskräften und Pflegenden bei Beachtung Schutz vor Infektionen und Haftungsansprüchen gibt.
Im Hygieneplan sollten zudem Maßnahmen zur Lebensmittel- und Küchenhygiene festgeschrieben werden. Hierbei gilt ergänzend die Lebensmittelhygieneverordnung.
Weiterhin ist der Hygieneplan vom Desinfektionsplan abzugrenzen. Das Letztere ist eine Anlage, die auch von einem Außendienstmitarbeiter oder Berater erstellt werden kann.
Überleitungsbogen
Steht die Verlegung eines Bewohners in ein Krankenhaus bevor, ist im Praxisalltag ein Überleitungsbogen erforderlich. Der Bogen dokumentiert besondere Infektionsprobleme, eventuelle MRSA-Erkrankungen, chronische und schlecht heilende Wunden und beinhaltet bisherige und empfohlene Pflegemaßnahmen. Ergänzend zu den Überleitungsbögen sind Informationsblätter zu dem jetzigen Risiko für Patienten, Angehörige, Rettungsdienste, Pflegeheime und ambulante Dienste zu führen.
Bei der Entlassung ist ebenfalls ein durch das Krankenhaus erstellter Überleitungsbogen an die Altenpflegeinrichtung unabdingbar. Es soll sichergestellt werden, dass der Patient nach Verlassen des Krankenhauses nicht in eine Hygienelücke fällt, sondern in seiner alten Umgebung und zum Schutz seiner Umwelt weiterhin optimal und bedürfnisgerecht versorgt wird.
Nachfolgend einige Beispiele für Hygienefehler, wie Sie im Pflegealltag tagtäglich vorkommen.
• Vorbereitung von Desinfektionslösungen für mehr als 24 Stunden im Voraus
• Verwendung nicht-geschlossener Harnableitungssysteme
• Zu lange andauerndes Liegenlassen intravenöser Katheter und deren falsche Handhabung
• Einsatz von kontaminierten Inhalatoren und Beatmungsgeräten
• Verbandswechsel mit Kontamination des Umfeldes
• Mangelnde Händedesinfektion, keine sterilen Handschuhe
Erfolgsentscheidend ist, dass in das Hygienemanagement alle für die Hygiene bedeutsamen Entscheidungsträger und Anwender einbezogen werden. Denn Hygiene kann nur funktionieren, wenn alle Mitarbeiter ein Hygienebewusstsein haben. Es gibt keine Hygiene erster und zweiter Klasse! Es gibt nur Hygiene insgesamt oder gar keine! Jeder, der seine Arbeit gewissenhaft und gut erledigt, trägt zur Hygiene bei und leistet einen Beitrag zur Verhinderung weiterer Infektionen.
Oberstes Ziel sollte weiterhin sein, wie schon im § 1 des Infektionsschutzgesetzes festgeschrieben ist, „übertragbaren Krankheiten beim Menschen vorzubeugen, Infektionen frühzeitig zu erkennen und ihre Weiterverbreitung zu verhindern.“ Dieser Auftrag gilt zum Schutz der Bewohner und des Personals gleichermaßen.
Rolf Höfert
Geschäftsführer Deutscher Pflegeverband e.V.
Experte für Pflegerecht
Der Deutscher Pflegeverband e.V. ist eine freie und gemeinnützige Vereinigung von Pflegekräften zur Vertretung fachlicher und berufspolitischer Interessen. Informieren Sie sich unter: www.dpv-online.de