Gewaltvermeidung durch Professionalität – Erfahrungen mit einem Schulungsprogramm zu Herausforderndem Verhalten
Martin Hamborg
Sie erinnern sich? Abgezockt und totgepflegt, war der Titel einer Fernsehserie. Die Einrichtung in der ich seit fast 30 Jahren als Psychologe arbeite, wurde in der letzten Sendung vorgestellt, als positives Beispiel. Mit dem Land Schleswig Holstein hatten wir zuvor ein Programm zur Gewaltprävention entwickelt, dass bisher in über 100 Heimen durchgeführt wurde, 200 Teilnehmer aus gerontopsychiatrischen Weiterbildungen wurden in die Methoden eingeführt. In 8 Unterrichtsstunden werden die Mitarbeiter zum Thema sensibilisiert, sie lernen was Ihre Kolleginnen denken, hinterfragen ihre Haltungen und suchen gemeinsam nach Lösungen in kritischen Situationen. Mit drei Methoden werden diese Ziele umgesetzt. Daten zu Haltungen im Team
In der anonymen Befragung werden (un)heimliche Haltungen im Team hinterfragt. Wenn z.B. deutlich wird, dass nur ganz wenige Kollegen, denken, dass es im Team die Norm gibt, Demenzkranken seien wie Kinder. Die Rückmeldung auf die Frage, „was denken Sie, dass die Kollegen denken“ erlaubt damit eine Diskussion ohne Schuldzuweisung und die gewünschte Haltung wird klargestellt.
Zudem werden Belastungsfaktoren abgefragt und das Team erfährt, wie hoch die Stressbelastung ist. Daten aus 144 Einrichtungen und Diensten machen deutlich, wie oft Mitarbeiter mit Bauchschmerzen zum Dienst kommen, weil sie Ärger/Intrigen im Team haben (34%) oder darunter leiden, dass sie es Bewohnern nicht recht machen können (22%). Wann beginnt Gewalt?
In kleinen Gruppen geht es um die Frage: Was würden Sie tun, wenn Sie z.B. „respektlose Anrede“ beobachten. Die Arbeitspapiere führen zu leidenschaftlichen Diskussionen, die oft noch lange in den Teams weitergehen. Bei dem Thema „Zwang zur Körperpflege“ wird deutlich, bei welchen Bewohnern Mitarbeiter unter Druck stehen, weil Pflege abgelehnt wird. Das Herausfordernde Verhalten wird dann im dritten Abschnitt systematisch bearbeitet.
Modelle für alle Fälle! Nach der Sensibilisierung erfolgt eine Fallbesprechung: Mit dem „Durchlauferhitzer“ werden z.B. konkrete Gewalterfahrungen reflektiert und aus dem beidseitigen Verständnis entstehen neue Handlungsmöglichkeiten. In dem Beispiel aus dem Schaubild wird z.B. deutlich, wie sehr Mitarbeiterin und Bewohnerin in ihrem „Film“ sind. Der „Teufelskreis“ macht deutlich, welche Faktoren zum herausfordernden Verhalten führen und wo Stellschrauben für Veränderungen sind.
Beide Arbeitspapiere stellen supervisionsorientierte Fragen und ermöglichen eine kollegiale Fallbesprechung. Teilnehmer sagen: „Wenn ich denke, da gehe ich nicht mehr hin, bearbeite ich erst mal die Papiere!“
Martin Hamborg arbeitet als Psychologe und Psychotherapeut in den Kieler Servicehäusern der AWO, engagiert sich seit 1998 im Vorstand in der Deutschen Expertengruppe Dementenbetreuung, hat das IQM Demenz 3.0 (iqm-demenz.de) entwickelt und macht inhouse-Schulungen. Kontakt: Martin.Hamborg@kabelmail.de