Gewalt fängt nicht erst bei Schlägen an!
Gewalt in der Pflege ist ein häufig auftretendes Phänomen. Dringenden Handlungsbedarf sehen aber die wenigsten Deutschen. Dies geht aus dem aktuellen Themenreport „Gewaltprävention in der Pflege“ hervor, den die Stiftung Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP) Anfang Juni in Berlin veröffentlichte. In einer dem Report zugrunde liegenden Studie gab ein Drittel der Befragten mit Pflegeerfahrung an, sich schon mindestens einmal unangemessen gegenüber einem Pflegebedürftigen verhalten zu haben. Der repräsentativen Untersuchung zufolge fehlt es aber vor allem an gesellschaftlichem Problembewusstsein: Danach gefragt, in welchen Bereichen dringender Verbesserungsbedarf bei der Versorgung pflegebedürftiger Menschen besteht, nannten nur 18 Prozent der Bundesbürger den Schutz vor Gewalt und Aggression. Gegenüber der besonders gefährdeten Gruppe der Demenzkranken hielten es sogar nur zehn Prozent der Befragten für notwendig, Gewalt aktiv vorzubeugen.
„Gewalt fängt nicht erst beim Schlagen an. Misshandlung alter und pflegebedürftiger Menschen kann viele Gesichter haben“, erklärt Dr. Ralf Suhr, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP). Dazu gehörten neben körperlicher Gewalt oder verbal aggressivem Verhalten ebenso die Missachtung der Intimsphäre, finanzielle Ausbeutungen, Einschränkungen der Entscheidungs- und Bewegungsfreiheit aber vor allem auch Vernachlässigungen. Aber auch Pflegende erfahren aggressives oder gewalttätiges Verhalten seitens des Pflegebedürftigen. „Um dem komplexen Phänomen gerecht zu werden, bedarf es zuallererst einer umfassenden und differenzierten Aufklärung. Viele Krisenfälle könnten vermieden werden, wenn die Beteiligten das notwendige Wissen hätten. Wir müssen umfassend für dieses Thema sensibilisieren, es enttabuisieren“, so Suhr.
Es gibt bislang nur wenige Studien. Als gesichert kann jedoch gelten, dass in Pflegebeziehungen ein erhöhtes Risiko für aggressionsgeladene oder gar gewalttätige Situationen besteht. „Wenn Gewalt in der Pflege stattfindet, dann ganz überwiegend im nicht öffentlichen Raum. Es wird daher von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen“ berichtet Dr. Suhr. Pflegefachliche Interventionen zur Prävention von Gewalt in der Pflege gibt es wenige. Das ZQP hat deshalb 2013 die international ausgewiesene Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Gabriele Meyer von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg beauftragt, den Stand der Forschung zu untersuchen und wirksame sowie nachhaltige Maßnahmen und Ansätze zur Prävention zu identifizieren. Neben systematischen Literaturrecherchen und Übersichtsarbeiten in verschiedenen Fachdatenbanken erfolgte auch eine umfassende Recherche nach Initiativen und wissenschaftlich evaluierten Projekten in Deutschland.
Die Ergebnisse waren ernüchternd. Zwar wurden auf nationaler Ebene wissenschaftlich begleitete Projekte zur Gewaltprävention identifiziert. Auch konnten etablierte Initiativen mit wichtigen Unterstützungsangeboten für Pflegebedürftige sowohl für die Familie als auch für professionell Pflegende recherchiert werden. Es wurden jedoch keine Wirksamkeitsnachweise für Präventionsinterventionen gefunden. Dr. Ralf Suhr: „Wir brauchen hier mehr Forschung!“
Die Stiftung leistet durch ihre Forschungsarbeit vielfältige Beiträge zur Gewaltprävention in der Pflege. Neben der Publikation von Fachinformationen führt sie gezielt Aufklärungs- und Schulungsveranstaltungen durch. Für Rat- und Hilfesuchende hat das ZQP darüber hinaus ein umfassendes Internetportal zur Gewaltprävention in der Pflege entwickelt, das spezielle Informationen für den akuten Notfall bereithält (www.pflege-gewalt.de).
Beachten Sie auch unseren ZQP-Themenreport Gewaltprävention in der Pflege auf www.zqp.de