Die interessantesten Neuerungen – was Sie jetzt über das 2. Pflegestärkungsgesetz wissen müssen

Mit Inkrafttreten des 2. Pflegestärkungsgesetzes (PSG II) zum 1. Januar 2016 erfolgte die lang erwartete Gleichstellung aller Pflegebedürftigen, unerheblich, ob die Ursachen der Pflegebedürftigkeit somatisch oder psychisch begründet sind.

Maria Krause, Gesundheits- und Krankenpflegerin Pflegewissenschaftlerin/ Pflegemanagerin B.A.

Die weitreichendste Änderung durch das PSG II wird 2017 wirksam, mit der Umsetzung des Neuen Begutachtungs-Assessments (NBA) und dem neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff. Pflegebedürftigkeit ist dann nicht mehr nur bei grundpflegerischen und hauswirtschaftlichen Defiziten sowie einem Hilfebedarf bei Ernährung und Mobilität gegeben. Die neue Definition berücksichtigt kognitive und kommunikative Fähigkeiten ebenso wie Verhaltensweisen und psychische Problemlagen sowie den Umgang mit krankheits- und therapiebedingten Anforderungen. Anders als bei der bisherigen Einstufung ist die Ausprägung der Pflegebedürftigkeit nicht mehr abhängig Zeitumfang des Hilfebedarfs durch Dritte, sondern von der Einschränkung der Selbstständigkeit des Antragstellers. Besondere Bedarfskonstellationen, wie bspw. die Gebrauchsunfähigkeit beider Arme und Beine, können somit automatisch zur Einstufung in den höchsten Pflegegrad führen.

Pflegebedürftige und auch Pflegeeinrichtungen können aber bereits seit diesem Jahr von einigen Anpassungen profitieren. So wurden unter anderem die Leistungen der Kurzzeitpflege weiter erhöht und können nun für bis zu 8 Wochen im Jahr in Anspruch genommen werden. Vor allem jedoch wurde der Beratungsanspruch erweitert. Neben einem Ausbau des Angebots von Pflegestützpunkten hat der Pflegebedürftige nun den Anspruch auf Pflegeberatung im eigenen Wohnumfeld . Ebenso ist ihm freigestellt, ob er selbst daran teilnehmen möchte oder die Angehörigen beraten werden. Zur einheitlichen Durchführung von Pflegeberatungen nach den §§ 7a–c SGB XI sollen die Pflegekassen bis zum 31. Juli 2018 Richtlinien festlegen. Ab 2017 steht zudem jedem Sachleistungsbezieher in der ambulanten Versorgung die Beratung nach § 37 SGB XI zu, die bisher vorwiegend der Sicherstellung der Qualität der häuslichen Pflege und der pflegefachlichen Unterstützung der Pflegepersonen diente.

Weitere Neuerungen bringt das Jahr 2016 auch im Bereich der Qualitätssicherung. So wird zur Umsetzung der gesetzlich geforderten Regelungen ein Qualitätsausschuss konstituiert. Dieser besteht aus den Verbänden der Leistungserbringer und der Kostenträger sowie einem Vertreter der Berufsverbände und mit beratender Funktion dem Medizinischen Dienst und den Patientenverbänden. Eine der wichtigen Aufgaben wird die erneute Vereinbarung von Maßstäben und Grundsätzen der stationären Pflege bis zum 30. Juni 2017 und der ambulanten Pflege bis zum 30. Juni 2018 sein. Hierunter fällt auch die Beschreibung eines indikatorgestützten Verfahrens zur vergleichenden Messung und Darstellung der Ergebnisqualität für den stationären Bereich. Während hierfür schon wissenschaftliche Studien vorliegen, müssen entsprechende Indikatoren für den ambulanten Bereich noch entwickelt und erprobt werden. Auch eine den Pflegeprozess unterstützende und die Pflegequalität fördernde Dokumentation soll in den Maßstäben und Grundsätzen vereinbart werden. Eine Reduktion des Dokumentationsaufwandes soll dann die Arbeitsverdichtung verringern, ohne sich negativ auf die Vergütung der Pflegeeinrichtung auszuwirken. Von besonderer Bedeutung wird die Entwicklung eines wissenschaftlich fundierten Personalbemessungsinstruments bis 2020 sein. Die bisher auf Landesebene geregelten Personalschlüssel werden nach Überleitung der Pflegestufen zu den Pflegegraden ab 20XX nicht mehr gelten.

Für die Betreiber stationärer Einrichtungen lohnt sich der Blick auf die Übergangsregelungen. Betrachtet man sich den Kostenanteil der Pflegekassen nach Überleitung der bisherigen drei Pflegestufen in die fünf Pflegegrade (Tab. 1), sind deutliche Änderungen der Sachleistungshöhen im vollstationären Bereich ab 2017 erkennbar. Hinzu kommt die neue Berechnung der Pflegesätze mit einrichtungseinheitlichen Anteilen anstatt, wie bisher, eine Klassifizierung nach dem Versorgungsaufwand. Leben in einer Einrichtung vorwiegend Bewohner mit geringen Pflegestufen und ohne eine erheblich eingeschränkte Alltagskompetenz, wird deren Eigenanteil durch den einfachen Stufensprung also höher ausfallen. Einrichtungen, deren Bewohner aufgrund einer erheblich eingeschränkten Alltagskompetenz einen doppelten Stufensprung vollziehen oder vor der Überleitung einer hohen Pflegestufe zugeordnet waren erwartet ein geringere Eigenanteil. Gleichzeitig lohnt sich die testweise Einstufung der bisherigen Bewohner nach dem NBA, um den zukünftigen Versorgungsaufwand für neu eingestufte Pflegebedürftige ab 2017 abschätzen zu können. Denn nach der Umstellung auf das NBA bedeutet gleicher Versorgungsaufwand nicht automatisch gleicher Pflegegrad wie bei den übergeleiteten Bewohnern. Um Pflegesatzverhandlungen auf Grundlage der Gesetzesänderung durchzuführen, ist den stationären Einrichtungen eine Frist bis zum 30. September 2016 gegeben. Kommt bis dahin kein Vertrag zustande, erfolgt die Überleitung anhand einer festgelegten Formel. Die Umstellung soll jedoch nicht zu Lasten der Betreiber von Pflegeeinrichtungen gehen, sodass auch weiterhin während des laufenden Pflegesatzzeitraums zu neuen Verhandlungen aufgefordert werden kann. Auch die bisher versorgten Pflegebedürftigen werden keine Belastung durch die geänderten Pflegesätze spüren, da der Gesetzgeber hier einen Bestandsschutz geregelt hat und Differenzen der Eigenanteile durch die Pflegekassen übernommen werden.

Pflegestufen

Pflegegrad

Leistungsbeträge

1

125€

0 mit eingeschränkter Alltagskompetenz (EA)

2

770€

1

2

770€

1 mit EA

3

1262€

2

3

1262€

2 mit EA

4

1775€

3

4

1775€

3 mit EA

5

2005€

Härtefallregelung

5

2005€

Tab. 1: die Überleitung der Pflegebedürftigen in vollstationärer Versorgung von Pflegestufen zu Pflegegraden

Bereits in diesem Frühjahr ist mit dem 3. Pflegestärkungsgesetz zu rechnen. Dort sollen vor allem die Länder und Kommunen mehr Gestaltungsmöglichkeit erhalten und der Schulterschluss zu den anderen Sozialgesetzbüchern erfolgen. Das Karussell der Gesetzgebung dreht sich also weiter und wird noch einige Neuerungen mit sich bringen.

 

Maria Krause, Gesundheits- und Krankenpflegerin

Pflegewissenschaftlerin/ Pflegemanagerin B.A.

Referentin für den Bereich Ambulante Pflege Beim Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe – Bundesverband e.V. (DBfK)

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