Arzneimitteltherapie in Altenheimen: Mehr Kooperation – weniger Risiko

In Münster startet ein einzigartiges Projekt, mit dem das Auftreten schwerer medikamentöser Nebenwirkungen bei Altenheimbewohnern gesenkt werden soll.

Das Problem ist bekannt: Gerade die Bewohner von Alten- und Pflegeheimen müssen viele Medikamente einnehmen. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Demenz, Depression, Inkontinenz oder Schmerzen sind die häufigsten Gründe für Arzneimittelverordnungen bei den meist über 80-Jährigen. Nicht selten kommt es dabei zu Nebenwirkungen und unerwünschten Arzneimittelereignissen, die bis hin zu Krankenhauseinweisungen führen. Das neue Projekt InTherAKT will hier Abhilfe schaffen: Gemeinsam mit vierzehn heimversorgenden Hausärzten und elf Apotheken stellt ein Forscherteam der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität aus Salzburg die Arzneimitteltherapie in neun Münsteraner Altenheimen auf den Prüfstand. Ziel des auf zwei Jahre angelegten Versorgungsforschungs-Projektes: Weniger unerwünschte Arzneimittelereignisse, verbesserte Kommunikation und Kooperation zwischen den beteiligten Berufsgruppen: Pflegende, Hausärzte und Apotheker.

Foto: Projekt InTherAKT

„Bisher gibt es nur wenige Daten zur Arzneimittelsicherheit in Altenheimen“, berichtet Projektleiter Prof. Dr. Dr. h.c. Jürgen Osterbrink. „Aber wir wissen, dass Heimbewohner in Deutschland durchschnittlich 3,6 verschiedene Arzneistoffe pro Tag einnehmen. Dreizehn Prozent der Bewohner bekommen sogar über 60 Verordnungen pro Jahr. Kein Wunder, dass medikamentöse Nebenwirkungen in Altenheimen an der Tagesordnung sind.“ Eine Untersuchung aus elf Altenheimen in NRW mit knapp achthundert Heimbewohnern zeige eine Rate von gut 10 Prozent an sogenannten unerwünschten Arzneimittelereignissen (UAE), so der Leiter des Institutes für Pflegewissenschaft und –praxis an der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität in Salzburg. Der hohe Verbrauch an Medikamenten in Altenheimen hat auch für die Bewohner nicht selten gravierende Folgen. „Wir wissen, dass bei älteren Menschen rund 10 Prozent aller Krankenhauseinweisungen aufgrund unerwünschter Arzneimitteleffekte erfolgen“, berichtet Gabriele Regina Overwiening, Präsidentin der Apothekerkammer Westfalen-Lippe. Rund die Hälfte dieser Einweisungen sei vermeidbar. Die Pharmakotherapie sei einerseits ein Segen, andererseits jedoch auch ein Hochrisikoprozess – gerade bei älteren Menschen mit ihrem veränderten Stoffwechsel. Der Gesundheitszustand der Bewohner von Altenheimen ist generell meist schlecht. „Die meisten Patienten dort sind über 80 und oft in einer verminderten körperlichen und geistigen Verfassung. Rund die Hälfte leidet an Herz-Kreislauf-Erkrankungen, etwa ein Drittel unter Demenz und bei 17 Prozent ist eine manifeste Depression diagnostiziert“, beschreibt Dr. Ralf Becker die Patientengruppe. Auch Schmerzen und Inkontinenz seien typische behandlungspflichtige Krankheitsbilder, die eine medikamentöse Behandlung erforderten, so der Vorstand des Hausärzteverbundes Münster. Rund 40 Prozent der Bewohner hätten zudem gleichzeitig mehrere therapiepflichtige Erkrankungen.

Wichtigstes Ziel des Projektes InTherAKT ist es, durch verbesserte Zusammenarbeit unerwünschte Arzneimittelwirkungen zu reduzieren. Dazu ziehen 14 heimversorgende Hausärzte, 11 heimversorgende Apotheken und die Pflegenden der teilnehmenden neun Einrichtungen an einem Strang. „Wir wissen aus Erfahrung, dass schon kleine Informationsbrüche oder Missverständnisse zwischen den beteiligten Berufsgruppen ausreichen, um die Medikation negativ zu beeinflussen“, berichtet Prof. Osterbrink. „Hier werden wir ansetzen: Mit gezielten Schulungen zur Arzneimitteltherapiesicherheit, der Entwicklung der InTherAKT-online-Kommunikationsplattform, die eine strukturierte Prüfung der Medikation der Patienten ermöglicht, mit Fallkonferenzen bei besonders komplexen Fällen und einer Anpassung der Medikation im Bedarfsfall.“ Alle Projektschritte und Ergebnisse werden genau evaluiert und dokumentiert und dabei stets Hausärzte, Apotheker und Pflegende mit einbezogen.

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