von Beatrix Seeliger (DBSV und Leiterin Aktionsbündnis Sehen im Alter)

Sehbeeinträchtigungen im Alter bedeuten nicht zwangsläufig Rückzug und Isolation – im Gegenteil: Mit gezielter Unterstützung können auch Menschen mit Sehverlust aktiv bleiben und an der Gemeinschaft teilhaben. Für Einrichtungsleitungen bieten sich zahlreiche Ansatzpunkte, um ihren Bewohnenden trotz Sinnesbeeinträchtigung ein selbstbestimmtes Leben mit sozialem, kulturellem und politischem Engagement zu ermöglichen.

Teilhabe beginnt in der Einrichtung

In stationären Pflegeeinrichtungen sind Leitungskräfte entscheidend dafür verantwortlich, wie sehr Bewohnende in den Alltag eingebunden werden. Für Menschen mit Sehverlust ist dies besonders herausfordernd – oft fehlen barrierefreie Informationen, unterstützende Technologien oder geeignete Freizeitangebote. Dabei zeigen zahlreiche Initiativen, wie Teilhabe gelingen kann – wenn die Rahmenbedingungen stimmen.

Barrieren erkennen – und abbauen

Seniorin nutzt Handlauf zur sicheren Orientierung – Unterstützung für mehr Teilhabe bei Sehverlust im Pflegeheim

Fotos: DBSV/Friese

Eine im Projekt „Partizipation älterer Menschen mit Behinderungen stärken!“ durchgeführte Umfrage zeigt klar: Hürden wie fehlende Mobilität, unzureichende digitale und bauliche Barrierefreiheit, mangelnde Assistenz sowie fehlende Schulungsangebote schränken die aktive Teilhabe sehbeeinträchtigter Menschen massiv ein. Leitungskräfte sollten deshalb regelmäßig prüfen:

  • Ist die Beschilderung kontrastreich und groß genug?
  • Gibt es Begleitangebote zu Veranstaltungen, z. B. Vorlesen oder Audiobeschreibungen?
  • Werden Informationen – etwa Speisepläne oder Aushänge – auch in gut lesbarer Form (z. B. Großschrift oder digital per Sprachausgabe) bereitgestellt?

Das Projekt „Partizipation älterer Menschen mit Behinderungen stärken!“ wird durch den Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV) in enger Kooperation mit dem Aktionsbündnis „Sehen im Alter“ durchgeführt. Gefördert wird das Projekt durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS).

Gute Praxis: „Gutes Sehen in Pflegeeinrichtungen“

Ein etabliertes Modellprojekt, das Einrichtungsleitungen konkrete Hilfestellung bietet, ist das in Bayern aktive Präventionsprogramm „Gutes Sehen in Pflegeeinrichtungen“. Es sensibilisiert Pflegepersonal, liefert praxistaugliche Lösungen (z. B. kontrastreiches Geschirr, optimierte Beleuchtung) und bezieht auch Angehörige mit ein. Einrichtungen können das Konzept übernehmen oder Anregungen für eigene Maßnahmen daraus ziehen. Gefördert wird das Programm nach § 5 SGB XI durch die Pflegekassen.

Digitale Teilhabe – mit dem Digital-Kompass

Gerade in ländlichen Einrichtungen bleibt die digitale Welt für viele Senioren verschlossen. Dabei können digitale Angebote – mit der richtigen Unterstützung – zur echten Teilhabemöglichkeit werden. Das Projekt „Digital-Kompass“ bringt ältere Menschen mit digitalen Ehrenamtlichen zusammen, etwa in Lern-Tandems oder in mobilen Beratungsstellen. Einrichtungen können sich aktiv beteiligen und Kooperationen mit lokalen Standorten initiieren.

Engagement fördern – auch mit Sehbeeinträchtigung

Dass sich Menschen mit Sehverlust politisch, gesellschaftlich und kulturell einbringen wollen, zeigt die sogenannte „Fokusgruppe“ im genannten Teilhabe-Projekt: Die Gruppe aus betroffenen Senioren gestaltet einen monatlichen Podcast mit, organisiert Veranstaltungen und bringt ihre Erfahrungen direkt in die Projektentwicklung ein. Dies zeigt: Engagement ist möglich – wenn Strukturen es zulassen.
Leitungen können diesen Impuls aufgreifen und z. B. ein Hausparlament, Bewohnerbeiräte mit Assistenz, oder moderierte Diskussionsrunden etablieren, bei denen auch sehbeeinträchtigte Menschen mitwirken können.

Fazit: Teilhabe ist möglich

Teilhabe und Selbstbestimmung dürfen nicht am Sehverlust scheitern. Mit vergleichsweise kleinen Maßnahmen – von barrierefreier Kommunikation bis zu digitalen Lernpartnerschaften – können Leitungskräfte viel bewirken. Und damit nicht nur die Lebensqualität ihrer Bewohnenden steigern, sondern auch ein aktives, inklusives Miteinander im Haus fördern.

Nützliche Links und Projekte

Teilhabeförderprojekt des DBSV: www.sehenimalter.org/teilhabe-ermoeglichen

Podcast „Übers Ohr – Sehen im Alter“: www.sehenimalter.org/aktuell/podcast

Digital-Kompass: www.digital-kompass.de

Präventionsprogramm „Gutes Sehen“: www.blindeninstitut.de/gutes-sehen

Dieser Artikel ist in der Ausgabe 02/2025 erschienen.

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