von Franziska Lutz (M.A., Blindeninstitut Würzburg)

Das sehe ich anders. Dem sehe ich erwartungsvoll entgegen. Das sehe ich ein. Schön, dich zu sehen. Das Sehen geht über das reine Wahrnehmen hinaus – es bedeutet Verstehen, Vorausplanen und Begegnen. Das Sehvermögen ist wichtig für nahezu alle Bereiche des täglichen Lebens. Es ermöglicht das selbstständige Essen und Trinken, allein den Weg ins Bad zu finden oder den Fernseher zu bedienen. Im Alter wird das Sehen in der Regel zunehmend eingeschränkt. Körperliche Alterungsprozesse wirken sich auch auf die Augen aus und Augenerkrankungen treten immer häufiger auf. Um die Lebensqualität von Senioren zu stärken, lohnt es sich daher, das Sehen frühzeitig und gezielt zu unterstützen.

Noch vor Eintreten bzw. zu Beginn von auftretenden Seheinschränkungen ist die Prävention wichtig. Bei einer frühzeitigen Diagnose lassen sich die meisten Augenerkrankungen behandeln oder in ihrem Verlauf mildern. Die regelmäßige Kontrolle durch einen Augenarzt ist daher die beste Vorsorge und wird ab dem 40. Lebensjahr einmal jährlich empfohlen. Genauso bedeutsam ist es, dass Mitarbeitende in Pflegeeinrichtungen für die Bedeutung des Sehens und Anzeichen von Augenerkrankungen und Sehverschlechterungen im Alter sensibilisiert sind. Nur wenn man derartige Veränderungen erkennt, können notwendige Interventionen initiiert und adäquate Maßnahmen zur Kompensation ergriffen werden.

Trotz seiner großen Bedeutung für die Alltags- und Lebensgestaltung ist das Sehen in der Gesellschaft – aber auch in der Pflege – meist noch nicht ausreichend im Blick. Durch das Corona-Virus wurde diese Problematik im vergangenen Jahr in vielen Fällen noch verstärkt. Dabei ist es gerade wegen der Pandemie sinnvoll, das Sehen in den Fokus zu rücken.

Seh-Prävention lohnt sich – nicht trotz, sondern gerade wegen Corona

Die Auswirkungen der Corona-Pandemie sind in Pflegeeinrichtungen besonders deutlich zu spüren. Zum Schutz der Senioren werden nach wie vor weitreichende Maßnahmen und Beschränkungen umgesetzt. Doch um Sicherheitsabstände einzuhalten, aktuelle Informationen zu Maßnahmen und Infektionsgeschehen zu lesen oder sich gründlich die Hände zu waschen bzw. zu desinfizieren, braucht es den visuellen Sinn.

Neben dem Infektionsschutz sind es in besonderem Maße auch die sekundären Auswirkungen wie Isolation, Verringerung der sozialen Kontakte und die Belastung der psychischen Gesundheit, die häufig zu einer spürbaren Belastung führen. Da sich das Sehen erwiesenermaßen positiv auf all diese Aspekte auswirkt, kann die Unterstützung an dieser Stelle einen wichtigen Beitrag dazu leisten, den negativen Begleiterscheinungen der vergangenen Monate entgegenzuwirken.

Lutz_Seh-Prävention_Gesicht - Fotos: Christo Anestev. – pixabay.com

Fotos: Christo Anestev. – pixabay.com

Die meisten Senioren leiden vor allem unter den Einschränkungen der sozialen Interaktion, die sie durch das Corona-Virus erfahren. Viele Einrichtungen ermöglichen es ihren Bewohnern, auf digitalem Weg mit ihren Verwandten in Kontakt zu treten, solange sie diese nicht besuchen dürfen. Fragen Sie nach, ob die Senioren das Bild auf einem kleinen Tablet-Bildschirm erkennen können. Besitzt der Bewohner eine Brille für die Nähe, sollte diese getragen werden. Alternativ können Sie es den Senioren ermöglichen, über einen Laptop mit angeschlossenem Beamer mit ihren Angehörigen zu kommunizieren. Das Bild kann dadurch so stark vergrößert werden, dass die Gesichter trotz Sehbeeinträchtigung erkannt werden können. Durch ein Telefon mit Großtasten kann auch das eigenständige Telefonieren wieder ermöglicht werden.

 

Gerade in Krisenzeiten ist das Informationsbedürfnis hoch. Ist das Lesen nicht mehr, nur mühsam oder mit starker Vergrößerung möglich, können verschiedene technische Hilfsmittel, z. B. Vorlesegeräte oder Bildschirmlesegeräte, den Zugang zu wichtigen Nachrichten aus der Einrichtung ermöglichen. Ebenso könnten diese auch auf ein Diktiergerät aufgesprochen werden, wodurch sehbeeinträchtigte und blinde Senioren die Mitteilungen anhören können, um nicht aus dem Informationsfluss ausgeschlossen zu werden.

Die Möglichkeiten der Unterstützung und Verbesserung der Lebensqualität sind vielfältig. Folgen einer Sehbeeinträchtigung können durch verschiedene Maßnahmen wie alternative Kommunikationsstrategien, Wohnraumanpassungen, Hilfsmittel etc. kompensiert oder zumindest teilweise ausgeglichen werden.

Präventionsprogramm „Gutes Sehen in Pflegeeinrichtungen“

Um Senioreneinrichtungen in allen Fragen rund um das Sehen von Senioren zu informieren und zu schulen, gibt es in Bayern seit Ende 2016 das Präventionsprogramm „Gutes Sehen in Pflegeeinrichtungen“ (in der Ausgabe 02/2019 des Seniorenheim-Magazins wurde darüber ausführlich berichtet). 2020 wurde das Programm, das schwerpunktmäßig vor Ort in den teilnehmenden bayerischen Einrichtungen durchgeführt wird, um verschiedene online-basierte Angebote ergänzt, um auch Pflegeeinrichtungen, die faktisch für externe Besucher geschlossen sind, weiterhin zu unterstützen. In Video-Seminarreihen vermitteln verschiedene Referenten Impulse zu Themen wie Augengesundheit, Sehhilfen, sozialrechtlichen Ansprüchen oder der Rolle des Sehens in der sozialen Betreuung und über eine eigene Wissensplattform im Internet werden Inhalte in E-Learning-Modulen aufbereitet. Bayerische Pflegeeinrichtungen können kostenfrei teilnehmen. Ermöglicht wird dies durch die Pflegekassen der AOK Bayern, des BKK Landesverbandes Bayern, der IKK classic, der KNAPPSCHAFT und der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau SVLFG.

Das Sehen ist vielfältig und die Wege, das Thema in die Einrichtung einzubringen, sind es auch. (Mobile) Augenoptiker, Augenärzte, Selbsthilfeverbände und spezielle Rehabilitationsfachkräfte können gute Ansprechpartner sein. Generell – aber auch in Zeiten der Pandemie – lohnt es sich, das Sehen in den Blick zu nehmen, denn es wirkt sozialem Rückzug entgegen, stärkt soziale Kontakte und hat positive Auswirkungen auf die psychische Gesundheit.

Weitere Informationen finden Sie im Internet unter www.blindeninstitut.de/gutes-sehen.

Der Artikel ist in der Ausgabe 01/2021 zu finden.

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