von Amelie Seidel (Blindeninstitut Würzburg)

Erkrankungen des zentralen Nervensystems können sich auch auf die Sehfunktion auswirken. Im Alter kommt es häufig nach einem Schlaganfall zu Gesichtsfeldausfällen. Katja Schmitt, Orthoptistin im Blindeninstitut Würzburg, hat sich auf Patienten mit neurologischen Krankheitsbildern spezialisiert. Sie hilft den Betroffenen dabei, ihre Sehstörungen durch spezielle Trainingsmethoden zu kompensieren.

Nicht nur Augenerkrankungen wie der graue Star oder die Makuladegeneration rufen eine schlechte Sicht bei Senioren hervor. Auch Krankheiten des Gehirns können die Sehfähigkeit im Alter einschränken. Dass das Sehvermögen durch neurologische Erkrankungen in Mitleidenschaft gezogen wird, ist keine Seltenheit. Laut dem Berufsverband Orthoptik Deutschland e. V. können bei 30 bis 40 Prozent der Patienten mit Hirnschädigungen verschiedene Sehstörungen auftreten. Genau auf diese Patienten hat sich die Orthoptistin Katja Schmitt spezialisiert. Im Beratungs- und Kompetenzzentrum des Blindeninstituts Würzburg führt sie bei den Betroffenen orthoptische und funktionelle Untersuchungen durch und bietet therapeutische Maßnahmen an, die den Alltag ihrer Patienten erleichtern.

Typische Krankheitsbilder bei Senioren

So wirkt sich eine homonyme Hemianopsie auf das Gesichtsfeld aus, wenn die jeweils rechte Hälfte des wahrgenommenen Bildes betroffen ist. Foto: Amelie Seidel

So wirkt sich eine homonyme Hemianopsie auf das Gesichtsfeld aus, wenn die jeweils rechte Hälfte des wahrgenommenen Bildes betroffen ist. Foto: Amelie Seidel

Zu Katja Schmitt kommen Patienten aller Altersgruppen. Jüngere Menschen seien meist an einem Hirntumor erkrankt oder leiden unter einer Hirnschädigung nach einem Unfall. Bei den Senioren sei der häufigste Grund ein Schlaganfall. „Nur ein kleiner Rest dieser Altersgruppe kommt zu mir aufgrund von tumorbedingten Sehstörungen oder Morbus Parkinson“, berichtet Schmitt. Eine visuelle Störung, welche vermehrt bei Schlaganfallpatienten beobachtet wird, ist das Skotom, also Gesichtsfeldausfälle. Ein Beispiel dafür ist die homonyme Hemianopsie, bei der beide Augen von einem halbseitigen Gesichtsfeldausfall betroffen sind. An Parkinson erkrankte Senioren leiden laut Schmitt vor allem unter Doppelbildern.

Um festzustellen, von welcher Art Skotom die Patienten betroffen sind, müssen spezielle Untersuchungsmethoden angewandt werden. Katja Schmitt misst dazu das Gesichtsfeld mittels Goldmann-Perimeter aus. Dieses Gerät kann den konkreten Umfang der Gesichtsfeldausfälle bestimmen. Zudem werden orthoptische Tests durchgeführt, um weitere Sehprobleme zu erkennen und zu analysieren. Unterstützen kann dabei auch professionelle Analysesoftware. Der erste Schritt ist jedoch immer eine ausführliche Anamnese basierend auf den konkreten Problemen der Patienten sowie deren fachärztlichen Befunden und Diagnosen.

Warnsignale im Pflegealltag und Prävention

Pflegekräfte können anhand des Verhaltens ihrer betreuten Senioren erste Indizien für eine neurologisch bedingte Sehstörung erkennen. Häufig finden die Betroffenen nicht mehr zur Toilette, stoßen sich immer wieder an einer Körperseite an oder essen nur die Hälfte ihres Tellers auf. Bei Orientierungsproblemen, einseitigen Verletzungen oder halb aufgegessenen Mahlzeiten sollte deshalb so schnell wie möglich ein Termin in einer augenärztlichen Praxis vereinbart werden. Denn eine rechtzeitige Therapie sorgt für einen größeren Behandlungserfolg.

Für die Prävention der neurologisch bedingten Sehauffälligkeiten ist natürlich eine ausgewogene Ernährung, viel Bewegung und die Vermeidung von Tabak- und Alkoholkonsum immer empfehlenswert. „Eine Garantie dafür, dass Krankheiten wie Schlaganfälle oder Parkinson so nicht auftreten werden, gibt es jedoch nicht“, erklärt Katja Schmitt.

Mit dem visuellen Kompensationstraining die Sicht erweitern

Katja Schmitt hilft, Sehstörungen durch spezielle Trainingsmethoden zu kompensieren. Foto: Amelie Seidel

Katja Schmitt hilft, Sehstörungen durch spezielle Trainingsmethoden zu kompensieren. Foto: Amelie Seidel

Katja Schmitt bietet ihren Patienten das sogenannte visuelle Kompensationstraining an, um ihnen dabei zu helfen, ihre Sehfähigkeit zu verbessern und so den Alltag besser bewältigen zu können. Dafür nutzt sie unterstützend verschiedene Softwarelösungen, beispielsweise „EyeMove“ oder „VISIO coach“. Diese bieten individuell angepasste Trainingsmöglichkeiten für die Befunde der Patienten. „Ziel der Übungen ist es, dass die Blicksprünge grösser werden, um so das Gesichtsfeld für eine bessere Orientierung zu verlagern“, beschreibt Schmitt den Ansatz des visuellen Kompensationstrainings.

Neben dem Training können auch Hilfsmittel eingesetzt werden, um alltägliche Aktivitäten, z. B. das Lesen und Schreiben, zu erleichtern. Dabei bringen Lineale oder Markierungen manchmal bereits den gewünschten Erfolg. In einigen Fällen werden aber auch elektronische Hilfsmittel eingesetzt. Dazu zählen Vorlesegeräte oder die elektronische Handlupe.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass neurologische Sehstörungen im Alter eine komplexe Herausforderung darstellen. Aber mittels frühzeitiger Diagnose und therapeutischen Maßnahmen wie dem visuellen Kompensationstraining können Betroffene ihre Sehfähigkeit wieder verbessern und somit auch ihre Lebensqualität.

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