Mobile Einsatzteams bringen telemedizinische Augendiagnostik in ländliche Seniorenheime. Ein neues Versorgungsmodell in sieben Bundesländern.

von Markus Georg (DBSV und Leiter Aktionsbündnis Sehen im Alter) und Dr. Claus Gruber 

Das Aktionsbündnis Sehen im Alter, welches 2014 durch den Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV) und der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (BAGSO) gegründet wurde, hat als Ziel, vermeidbaren Sehverlust zu verhindern.
Hierzu wurden konkrete Forderungen formuliert und auf Handlungsbedarf, insbesondere in Pflegeeinrichtungen hingewiesen.

In dt. Senioreneinrichtungen hat rund die Hälfte der Bewohnenden Sehprobleme und oft wird eine Sehbehinderung nicht als solche erkannt. Das zeigt die Studie OVIS (Ophthalmologische Versorgungsforschung in Seniorenheimen) der Stiftung Auge der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft aus dem Jahr 2017. Dass sich an der Situation seitdem nichts geändert hat, bestätigt Professor Dr. med. Frank G. Holz, Vorsitzender der Stiftung Auge und Direktor der Universitäts-Augenklinik Bonn: „Wir haben kürzlich, im Rahmen der neuen Studie TOVIS, 139 Seniorinnen und Senioren in Einrichtungen telemedizinisch untersucht. Bei 53 von ihnen wurde z. B. eine altersabhängige Makuladegeneration diagnostiziert, ein Drittel davon müsste dringend einer Therapie zugeführt werden, um dauerhaften Sehverlust zu verhindern.“

„Mit der ersten Veröffentlichung der Studienergebnisse wurden schon fünf konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der ophthalmologischen Versorgung von Menschen in Pflege- und Seniorenheimen vorgeschlagen und es ist schön zu sehen, dass sich hier nun etwas bewegt“, sagt Markus Georg Leiter des Aktionsbündnis Sehen im Alter.

Versorgungsqualität verbessern, Pflegepersonal entlasten – so lautet die Devise von Mirantus Health, einem jungen Digital Health Unternehmen aus Berlin. Mit einer innovativen Lösung ermöglicht Mirantus unterversorgten und ländlichen Patientinnen und Patienten eine Wiederanbindung an hochqualitative Facharztbetreuung. Dabei liegt der aktuelle Fokus primär auf Augenuntersuchungen in Senioreneinrichtungen: Sowohl wissenschaftlich evaluiert durch die TOVIS-Pilotstudie mit der Universitäts-Augenklinik Bonn und Prof. Dr. Holz als auch in der Praxis erprobt, findet das Modell deutschlandweit großen Anklang. Das bestätigen die bereits über 1.000 Versorgten.

Die Mobile Praxis

Foto: Mirantus

Im Auftrag von regionalen Augenarztpraxen führt Mirantus Untersuchungen in Senioreneinrichtungen durch. So wird eine fachmedizinische Regelversorgung ohne großen Aufwand für das Pflegepersonal gewährleistet. Gleichermaßen dient dieses Modell der Erfüllung des Versorgungsauftrages in „Medical Deserts“. Niedergelassene Fachärzte haben hierbei zudem die Möglichkeit, Kooperationsverträge mit Senioreneinrichtungen abzuschließen. Die Vernetzung der modernen Medizingeräte mit einer DSGVO-konformen Telemedizinplattform ermöglicht eine digitale Übermittlung der Untersuchungsdaten an die Ärzte. Diese haben Zugriff auf alle benötigten Unterlagen für eine vollständige Befundung. Die Befundbesprechung erfolgt mit den Betroffenen im Rahmen einer Videosprechstunde, die durch Mirantus technisch abgebildet wird.

Die Idee stammt von Dr. med. Claus Gruber, Gründer und Medizinischer Direktor von Mirantus Health, der sich während seiner Forschungszeit u. a. am renommierten Moorfields Eye Hospital in England intensiv mit „Shared Eye Care Modellen“ auseinandersetzte und dabei nicht nur enormes Potenzial, sondern auch großen Bedarf in Deutschland sah: „Eine Vielzahl von Ländern weltweit setzen Delegationsmodelle ein, um die Möglichkeiten der Technologie effizienter zu nutzen. Technisch und regulatorisch spricht auch in Deutschland alles für solche Versorgungsmodelle, trotzdem werden diese hier kaum eingesetzt. Genau das wollen wir ändern“, so Claus Gruber. Aus dieser Motivation heraus gründete er im Sommer 2022 gemeinsam mit dem erfahrenen Manager Dominik Pederzani das Unternehmen, welches 2023 von der Techniker Krankenkasse und dem Handelsblatt unter die Top-10 Start-Ups der Gesundheitsbranche in Deutschland gewählt wurde.

Mit dem sorgfältig ausgearbeiteten Versorgungsmodell bietet Mirantus den Einrichtungen eine ausgesprochen einfache und effiziente Lösung: Nach einer Anmeldephase findet vor Ort die Untersuchung mit Videosprechstunde statt. Im Anschluss daran erfolgt eine individuelle, bedarfsgerechte Nachsorge. Die Senioreneinrichtung wird über den gesamten Prozess hinweg von Mirantus unterstützt.

Das Versorgungsmodell bietet allen Parteien klare Vorteile:

  • Die älteren Menschen profitieren von regelmäßigen Untersuchungen im gewohnten Umfeld. Dabei wird u. a. eine frühzeitige Erkennung von langsam fortschreitenden Erkrankungen und deren Beobachtung ermöglicht.
  • Pflegekräfte erleben Entlastung: Vor Ort stattfindende Untersuchungen reduzieren Organisationsaufwand für Arzttermine und Transporte. Langfristig nimmt der Bedarf von intensivierter Pflege (z. B. bei vermeidbarer Blindheit, infolge von erhöhtem Sturzrisiko durch starke Sehbeeinträchtigungen oder irreversiblem Sehverlust) ab.
  • Angehörige und Betreuende profitieren von einem reduzierten Zeit- und Kostenaufwand durch ortsunabhängige Videosprechstunden.

Außerdem bewirkt dieses Versorgungsmodell eine Vermeidung von Folgeerkrankungen, Reduktion der ambulanten Transportkosten und trägt somit zu einer nachhaltigen Entlastung des Gesundheitssystems bei.

In den Seniorenheimen begegnet Mirantus ausgesprochener Dankbarkeit. Ein Pflegeheimleiter aus Bayern gewährt Einblick: „Durch den Pflegemangel ist die aktuelle Situation in unseren Einrichtungen äußerst angespannt. Unseren rund 2.000 Bewohnern eine entsprechende Organisation von und Begleitung zu Arztterminen zu gewährleisten, benötigt nicht vorhandene Ressourcen. Von der Versorgung vor Ort durch Mirantus sind wir daher begeistert.“

Mit höherem Lebensalter wächst das Risiko einer Augenerkrankung. Ursachen dafür sind neben altersbedingten Veränderungen vor allem chronische Augenkrankheiten wie altersabhängige Makuladegeneration (AMD), Glaukom oder diabetische Retinopathie. Das war auch Thema beim Tag der Sehbehinderten, wo der DBSV mit seinen Mitgliedsverbänden auf die Situation in Pflegeeinrichtungen hingewiesen und Schulungen angeboten hat.

Informationen sind noch abrufbar unter:  https://www.dbsv.org/sehbehindertentag.html
www.mirantus.com
info@mirantus.com

 

Der Artikel ist in der Ausgabe 01/2024 zu finden.

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