von Dr. Heidi Oschmiansky (Referentin Resilienz, DRK-Generalsekretariat) und Carolin Drößler (Referentin für Altenhilfe, AWO Bundesverband)
Seit dem Jahr 2022 müssen Träger von stationären Pflegeeinrichtungen in Absprache mit den örtlichen Gefahrenabwehrbehörden Konzepte zur Bewältigung von Krisen und Katastrophen vorhalten. Im Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung wurde festgelegt, dass zum einrichtungsinternen Qualitätsmanagement auch flexible Maßnahmen zur Qualitätssicherung in Krisensituationen zählen.
Die schon heute erkennbare Klimakrise wird zu einer deutlichen Zunahme von großen Schadensereignissen und Katastrophen wie Hitzewellen, Stürmen und Hochwassern führen. Aber auch menschliches Versagen, technische Defekte oder Sabotage können Schadensereignisse zur Folge haben. Da der Katastrophenschutz Pflegeeinrichtungen in großen Schadenslagen nur begrenzt unterstützen kann, ist eine eigene Vorbereitung von Pflegeeinrichtungen sehr wichtig und kann Gesundheit und Leben von Bewohnern retten.
Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) hat daher eine Handreichung für stationäre Pflegeeinrichtungen herausgegeben, die Handlungsempfehlungen zur Krisen- und Katastrophenvorbereitung enthält. Sie ist öffentlich verfügbar unter: www.bagfw.de.
Empfehlungen der BAGFW-Handreichung
In der Handreichung wird eine Vorbereitung auf zwei zentrale Schadensereignisse sowie die einrichtungsindividuelle Anpassung auf Risiken und Möglichkeiten vor Ort empfohlen. Zu den zentralen Schadensereignissen zählen zum einen Stromausfälle. Diese können durch viele Ereignisse wie etwa Stürme, Eisregen oder durch menschliches Versagen ausgelöst werden und haben gravierende Effekte für Pflegeeinrichtungen (siehe Tabelle).
0-8 Stunden nach Stromausfall | 8-24 Stunden nach Stromausfall | Ab 24 Stunden nach Stromausfall | |
---|---|---|---|
Technik |
|
|
|
Versorgung |
|
|
|
Organisation |
|
|
Quelle: Innenministerium Baden-Württemberg, Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (Hrsg.) (2010): Krisenmanagement Stromausfall. Kurzfassung, S. 16 (Auszug)
Zum anderen sollten sich Pflegeeinrichtungen auf Evakuierungen in großen Schadenslagen vorbereiten. Diese meist ungeplanten Evakuierungen erfordern gewisse Vorkehrungen, damit sie für alle Bewohner mit möglichst wenig Belastungen und Risiken verbunden sind.
In der Handreichung werden entsprechende Hinweise zu den Themenschwerpunkten Krisenstab/Notfallpläne, Bevorratung und Vernetzung gegeben: Im Kapitel zum Krisenstab wird beispielsweise ausgeführt, welche Aufgaben ein einrichtungsinterner Krisenstab hat, wer in diesen einbezogen werden sollte und wie bei Eintritt von Schadensereignissen verfahren werden kann. Es werden Vorgehensweisen bei Stromausfall und bei Evakuierungen in großen Schadenslagen vorgeschlagen. Entscheidend dabei ist, vorbereitende Maßnahmen frühzeitig im Alltag zu ergreifen, um darauf bei Eintritt eines Schadensereignisses zurückgreifen zu können.
Krisenvorsorge geht alle an
Die Handreichung zeigt auf, was Pflegeeinrichtungen ganz konkret tun können. Damit verbunden ist aber auch, wo die Grenzen von Pflegeeinrichtungen liegen und wie wichtig übergreifende Strukturen zur Krisenvorbereitung und -bewältigung in der Kommune und die Vernetzung der zentralen Organisationen vor Ort sind. Zwar empfiehlt die Handreichung beispielsweise die Schaffung eines Runden Tisches, an dem alle in der Kommune vertretenen Pflegeeinrichtungen mit Organisationen der Katastrophenhilfe und zentralen Akteuren zusammenkommen – vielerorts fehlt es jedoch bereits an klaren Zuständigkeiten und Ansprechpersonen in der Kommune zu diesem Thema. Die Bestrebungen von Pflegeeinrichtungen entsprechend der Empfehlungen laufen damit leider teilweise ins Leere.
Ein weiteres Umsetzungsproblem dürfte die Finanzierung sein. Zusätzlicher Personaleinsatz, Schulungsmaßnahmen, Bevorratung und Anschaffung, Wartung und Sicherstellung der Betriebsbereitschaft bspw. von Notstromaggregaten kosten nun einmal viel Geld. Aktuell ist völlig unklar, wer diese (laufenden) Kosten tragen soll. Klar ist nur, wenn die Länder ihrer Verantwortung zur Übernahme von Investitionskosten – generell und insbesondere mit Blick auf Katastrophenschutz – weiterhin nicht gerecht werden, landen die Kosten bei den bereits finanziell überlasteten pflegebedürftigen Menschen. Sicherlich kann auch der Bund tätig werden und Steuermittel für den Katastrophenschutz und die Krisenvorsorge zur Verfügung stellen, um Pflegeeinrichtungen und die Gesellschaft als ganze krisenfester aufzustellen.
Der Artikel ist in der Ausgabe 02/2023 zu finden.