von Michael Sudahl

Holzbau schont Ressourcen und Umwelt. Langsam schwappt diese Einsicht auch in den Geschossbau über. Erste Kliniken in Holzbauweise entstehen wie ein aktuelles Beispiel aus Baden-Württemberg belegt.

Kliniken und Pflegeheime in Holzbauweise sind extrem rar. In Baden-Württemberg gibt es nach Internetrecherchen aktuell genau zwei. Der erste ist ein viergeschossiger Erweiterungsbau in Baden-Baden. Er dient einer Klinik als Bettenhaus und wurde 2017 gebaut. Die zweite „Holzklinik“ ist ein Solitär und steht in Pforzheim. „Im Mai vergangenen Jahres wurde der Bau offiziell an den Mieter übergeben“, sagt Monika Seckler-Fleischer, Geschäftsführerin der Palm GmbH & Co. KG mit Sitz in Schorndorf bei Stuttgart. Diese errichtet im Pforzheimer Ortsteil Sonnenhof den Holzneubau, in den ein betreutes Wohnen mit acht Intensivpflegebetten einzieht.

Herausforderung Brandschutz

Blick in ein Bewohnerbad - Fotos: DG_Bebop media

Blick in ein Bewohnerbad – Fotos: DG_Bebop media

Der Termin kommt schneller als erhofft und später als geplant. Das Pforzheimer Bauamt stuft das Gebäude als Krankenhaus und somit als Sonderbau ein. Einher gehen damit verschärfte Verordnungen wie schwere Brandschutztüren sowie die Verkapselung aller hölzernen Rohbauelemente. Die Brandschutzqualität „K260“ ist das Stichwort. Sie besagt, dass alle Holzbauteile mit Gipsfaserbauplatten ummantelt sein müssen. Damit die Brandlast möglichst gering ist und genügend Zeit bleibt, Pflegebedürftige im Brandfall zu evakuieren. Das Problem: diese Art des Holzbaus bedarf eines speziellen Zertifikats. In ganz Süddeutschland haben nur etwa 25 Betriebe diese Zulassung. Die Produktion des Kapselkriteriums „K260“ bedarf neben einer bauaufsichtlichen Zulassung auch einer regelmäßigen Überwachung von Dritten, etwa der Technischen Universität München.

Nachdem der Vertrag mit dem ursprünglichen Generalunternehmen wegen dieser Vorgabe scheitert, vergibt die Immobilienfirma Palm alle Gewerke binnen sechs Wochen einzeln. Das gelingt, weil mit Palm-Mitarbeiter Daniel Mudroh ein Bautechniker und Immobilienfachwirt die Baustelle technisch und kaufmännisch eng begleitet und sogar Kosten spart. Überhaupt stehen Nachhaltigkeit und hohe bauliche Komplexität für die Palm-DNA.

2,5 Millionen-Projekt

Blick in ein Bewohnerzimmer - Fotos: DG_Bebop media

Blick in ein Bewohnerzimmer – Fotos: DG_Bebop media

So findet der Projektentwickler aus Schorndorf mit der Firma Holzbau Schaible aus Schönbronn den passenden Partner. Der Schwarzwälder Familienbetrieb beschäftigt 35 Mitarbeiter und kann die vom Amt geforderte Qualität liefern. Binnen sechs Wochen stehen im Herbst 2020 Wände und Decken. Und weil das 800 m² Nutzfläche umfassende Gebäude in Holzbauweise zum Großteil vorgefertigt ist, gehen die Restarbeiten wie Elektro- und Sanitärinstallation schneller als bei einem herkömmlichen Ziegel-Beton-Haus. Das 2,5 Millionen-Projekt kann Mitte Mai 2021 an den Mieter übergeben werden. Betreiber ist die Heimbeatmungsservice GmbH Brambring Jaschke, die mit dem Standort Pforzheim in Summe sechs Wohngemeinschaften mit 50 Intensivpflegebetten betreibt.

Holz

Holz ist ein nachwachsender Rohstoff, der mit Sonnenenergie produziert wird. Dabei entzieht es der Atmosphäre während des Wachstums das Treibhausgas Kohlendioxid (CO2), das als Kohlenstoff in Holzprodukten über die gesamte Nutzungsdauer gebunden bleibt. Wenn der Wald einen Festmeter Holz produziert, entnimmt er der Luft rund eine Tonne CO2. Dabei werden 250 kg Kohlenstoff in Holz, Rinde, Zweigen, Blättern sowie in Wurzeln gebunden und 750 kg Sauerstoff freigesetzt. In Gebäuden aus Holz bleibt der Kohlenstoff über Jahre gebunden. Durch ein Einfamilienhaus in Holzbauweise mit etwa 30 Kubikmetern Holz in der Konstruktion, werden der Atmosphäre dauerhaft 25 Tonnen CO2 entzogen.

Dreistöckiges Holzhaus

Fluchttreppen aus Stahl, die auch als Balkone dienen - Foto: DG_Bebop media

Fluchttreppen aus
Stahl, die auch als
Balkone dienen – Foto: DG_Bebop media

„Durch die Suche nach einem passenden Holzbaubetrieb fand die Übergabe rund elf Monate später statt als geplant“, sagt Seckler-Fleischer. Die erhoffte Zeitersparnis, die sich die Palm-Gruppe durch den Einsatz des Holzbaus erhofft, bleibt durch den Bauverzug auf der Strecke. Wirtschaftlicher sei das dreistöckige Holzhaus aber dennoch, so die Geschäftsführerin, die jederzeit wieder in Holz bauen würde, sich im Vorfeld allerdings enger mit dem zuständigen Bauamt abstimmen würde. „Sonderbau in Holz lässt hinsichtlich Verordnungen Interpretationsspielraum“, sagt die Immobilienexpertin diplomatisch und führt ein Beispiel an: Statt jedes Bewohnerzimmer in feuerbeständiger Holzqualität zu separieren, dienen nun Evakuierungsdecken dem Schutz der Patienten. Denn Intensivpflege bedeutet, dass bei einem Alarm rund um die Uhr Pflegepersonal binnen zwei Minuten am Bett sein muss. Kliniktypisch gibt es Codra-Spülen, Wannenlifte, eine Brandmeldeanlage und ein Notstromaggregat ist vorgerüstet.  Auch der Betreuungsschlüssel ist deutlich höher als in einem Pflegeheim. Um acht Bewohner kümmern sich pro Schicht vier Pfleger. Mehrkosten für die Holzbau-Qualität, die etwa bei 10 % der Bausumme liegen, sind nach Auffassung der Bauherrin, und schlussendlich auch der Baubehörde, daher nicht zu rechtfertigen.

Standortentwicklerin

Seckler-Fleischer betont, dass sich die Firmengruppe in Pforzheim als Standortentwicklerin sehe – und eben nicht als Bauträger, der nach Fertigstellung des Gebäudes verschwinde. Das zeige sich daran, dass die Firmengruppe bereits 2011 den Großteil des Areals mit Apotheke, Supermarkt und betreutem Wohnen erwirbt und aufwändig saniert. „Um unser pflegerisches Standortkonzept zu realisieren, haben wir damals mit sieben Grundstückseigentümerinnen verhandelt“, verdeutlicht Seckler-Fleischer das kleinteilige Engagement, das sich nun auf der Baustelle fortsetzt.

Darauf sollte achten, wer mit Holz bauen will

Bauherren sollten vor der Bauanfrage mit den zuständigen Baubehörden klären, welche Voraussetzungen diese an einen Holzbau haben, wenn darin gepflegt wird. Bauen mit Holz allein geht aus Brandschutzgründen meist nicht. Daher werden Elemente wie Treppenhäuser oder Fluchtbalkone oft in Beton oder Stahl gefertigt – ein Holzhybridhaus entsteht. Der Holzanteil sollte dennoch bei etwa 70 % liegen.

Neben Brand- ist Schallschutz im Holzbau elementar. Holz ist im Vergleich zu Ziegelsteinen und Beton die leichtere Masse. Dieser Masseverlust sollte ausgeglichen werden durch schwerere Türen und zusätzliche Platten, die etwa in Zwischenwänden eingebaut sind. Auch Vorhänge und Schallschutz-Platten an Zimmerdecken brechen den Hall.

Das Bauen in Holzständerbauweise spart Zeit. Denn der Rohbau, mit Installationen für Elektrik und Sanitär, wird von Zimmerleuten im Werk vorgefertigt. Pro Rohbau-Geschoss rechnen Architekten mit etwa drei Tagen Montage auf der Baustelle.

Durch die Vorfertigung der Holzelemente müssen Entscheidungen früher in der Planungsphase getroffen werden. Diese muss detaillierter erfolgen, denn ein Umplanen auf der Baustelle ist kaum mehr möglich.

Wer mit Holz baut, sollte sich zertifizierte Holzbaubetriebe suchen. Auch empfiehlt sich zu prüfen, ob der Werkstoff Holz in der Region verbreitet ist. Nur dann bleiben Materialkosten kalkulierbar. Im Schwarz- oder Odenwald etwa sind Holzbauten sehr zu empfehlen.

Der Artikel ist in der Ausgabe 01/2022 zu finden.

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