von Susanne Dröscher (Care for Innovation Gründungsmitglied)

Zwei Tage intensiver Austausch und Inspiration aller Stakeholder der Pflege, ins Leben gerufen von dem neu gegründeten Verein Care for Innovation e. V.

Thomas Weber ist Leiter einer Pflegeeinrichtung mit 80 Bewohnern. Letztes Jahr hat ihm die Einführung eines neuen Warenwirtschaftssystems viele schlaflose Nächte beschert. Daher ist er auf den Begriff “Digitalisierung” nicht sehr gut zu sprechen. Andererseits hört er immer wieder von Freunden aus anderen Branchen, wie viel Entlastung sie durch Software und neue Geräte auf der Arbeit erfahren. Er fragt sich immer wieder: Warum tun wir in der Pflege uns so schwer damit? In welchem Bereich fangen wir am besten an? Wie stelle ich sicher, dass meine Mitarbeiter mitmachen? Was ist das Kosten-Nutzen-Verhältnis?

Die CFI Gründungsmitglieder - Foto: Magnus Bade

Die CFI Gründungsmitglieder – Foto: Magnus Bade

Melanie Graf ist Altenpflegerin und seit 15 Jahren in einer Senioreneinrichtung beschäftigt. Vor zwei Jahren wurde die Pflegedokumentation digitalisiert und auf Tablets umgestellt. Es war eine anstrengende Zeit, neben all den Aufgaben im Alltag auch noch den Umgang mit einem neuen System zu lernen. Inzwischen kann sie sich kaum mehr an die Papierdokumentation erinnern und sieht viele Vorteile der digitalen Dokumentation. Dennoch machen ihr die neuen Lösungen auch Bauchweh: Was muss ich als nächstes lernen? Wie wählt mein Chef die Innovationen aus? Welche Lösungen gibt es überhaupt? Ist ein Pflegeroboter wirklich so weit weg?

Wie Melanie Graf und Thomas Weber geht es vielen in der Branche. Die Veranstaltung “Take Care in Kleve” an der Hochschule Rhein-Waal bot die Möglichkeit, genau solche Fragen zu besprechen, sich gegenseitig Mut zu machen und sich zu inspirieren. Denn dort trafen sich Ende November Pflegefachkräfte, Führungskräfte, Politiker, Startup-Vertreter und Studierende, um die verschiedenen Aspekte von Innovationen in der Pflege und deren Implementierung gemeinsam zu beleuchten.

Mehr als 100 Teilnehmer wurden durch Vorträge angeregt und stiegen danach in die Diskussion ein. Unter anderem gab Andreas Westerfellhaus (Staatssekretär und Pflegebevollmächtigter der Bundesregierung) einen Impulsvortrag zum Status Quo und den Next Steps der Digitalisierung in der Pflege. Er ist davon überzeugt, dass die Entlastung des Pflegepersonals ein zentraler Fokus der Digitalisierung sein müsse. Den Pflegeroboter, der die Pflegekraft komplett ersetzt, werde es nicht geben. Weiterhin ist für ihn die Sicherheit des Patienten und aller Daten, die im Pflegeumfeld anfallen, zentral. Generell können nur, wenn Patienten, Pflege und Forschung & Entwicklung zusammenarbeiten, wirklich nachhaltige Lösungen entstehen. Er ermutigte außerdem dazu, Prozesse komplett neu zu denken und sagt: “Schlechte Prozesse werden durch die Digitalisierung nicht besser.”

Weitere Inputs gab es von Frau Krones (Vorständin Diakonie Düsseldorf), die aufzeigte, dass Digitalisierung auch das Verlassen der Komfortzone bedeutet. Da sei im Leadership besonderes Einfühlungsvermögen und das Einbeziehen aller Disziplinen und Altersgruppen gefragt. Frau Groos-Böckelmann (Caritasverband Region Mönchengladbach) wies in ihrem Impuls darauf hin, dass häufig auch die technische Ausstattung oder die Fertigkeit im Umgang mit Computer & Co eine Hürde darstelle. Frau Neubauer (CDO Altenhilfe, Vincentz Network) zeigte auf, wie Partnerschaften genutzt werden können, um Innovation voranzutreiben.

In den anschließenden Bar Camps wurden auf Augenhöhe Themen diskutiert, die von den Teilnehmern selbst vorgeschlagen wurden, wie beispielsweise “Digitalisierung – wo starten?” oder “Wie hole ich die Mitarbeiter ab?”. “Es war faszinierend, wie schnell die Teilnehmer eigene Themen eingebracht haben und in die Gruppendiskussion eingestiegen sind. Das zeigt den dringenden Bedarf, mehr Klarheit zu bekommen und Erfahrungen auszutauschen”, zieht Thomas Bade, Beiratsmitglied von Care for Innovation, ein erstes Fazit.

Klar wurde, dass es vielen Unternehmen schwer fällt, die vielen möglichen Digitalisierungsmaßnahmen zu evaluieren und zu priorisieren. Hier wurde der Mehrwert von Peer-Gruppen erwähnt, in denen man voneinander lernt. Wenn der Entscheid für eine digitale Lösung gefallen sei, sollten die erwarteten Ziele von allen Betroffenen klar kommuniziert werden. Außerdem wurde besonders von Teilnehmern aus der Pflege betont, wie wichtig es sei, die Basis abzuholen. Denn “keine Investition nutzt, wenn sie nicht angewendet wird”. Alle waren sich einig, dass Digitalisierung nicht zum Selbstzweck umgesetzt werden dürfe. Sie solle Zeit schaffen, die eigentliche Arbeit besser machen zu können. Letzten Endes geht es darum, den Alltag pflegebedürftiger Menschen und der Pflegenden zu erleichtern und Raum für zwischenmenschliche Beziehung zu schaffen. Technik spiele dabei eine wichtige Rolle, solle dabei aber soweit möglich im Hintergrund bleiben.

Foto: Magnus Bade

Foto: Magnus Bade

Einige Beispiele innovativer Lösungen konnten die Teilnehmer vor Ort anschauen und ausprobieren. Das Resümee der Veranstaltung war daher auch: die nötigen Zutaten für die digitale Transformation sind bereits heute vorhanden! Es gilt, gemeinsam einen Schritt nach dem anderen zu machen. Ein wichtiges Element ist dabei die Zusammenarbeit der verschiedenen Disziplinen innerhalb eines Unternehmens. In Kleve wurde dies in den Diskussionsgruppen möglich. “Ich fand es toll, dass der Austausch der Berufsgruppen wirklich auf Augenhöhe stattgefunden hat. Die Sensibilisierung für die gegenseitigen Bedürfnisse ist ein erster Schritt, um dann gemeinsam Lösungen zu schaffen.”, meint Nico Dudli, Care for Innovation Mitglied. “Diese gegenseitige Inspiration in einem vertrauensvollen Netzwerk braucht es regelmäßig.”

Genau solch ein Netzwerk möchte der Verein “Care for Innovation – Innovation pflegen e. V.” schaffen. Er wurde von den führenden Startups im Pflegemarkt (BringLiesel, Cairful, CARU, icho systems, IQM Software, Lindera, Moio, nevisQ, Public Intelligence und SuperNurse) am Vorabend der Veranstaltung gegründet. Judith Ebel, Gründerin von SuperNurse und Vorständin des Vereins, beschreibt den Zweck von Care for Innovation so: “Es geht darum, Lösungen greifbar zu machen und einen Zugang zum Thema zu schaffen. Viele Menschen in der Praxis fühlen sich noch nicht mit dem Thema verbunden und möchten im interdisziplinären Austausch ihren Weg für die digitale Transformation finden.“

Nach dem Auftakt in Kleve ging die Veranstaltungsreihe am 6. März 2020 in München weiter mit “Take Care in Munich”. Stellen Sie sich ähnliche Fragen und wünschen sich Austausch wie Melanie Graf und Thomas Weber? Dann halten Sie sich informiert unter: https://careforinnovation.com/ oder schreiben Sie uns an post@careforinnovation.com

Der Artikel ist in der Ausgabe 01/2020 zu finden.

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