von Silke Blumenröder

Der Pflegereport der Bertelsmann Stiftung prognostiziert, dass die Zahl der Pflegebedürftigen bis 2030 um 50 Prozent steigt. Zugleich nimmt die Zahl derjenigen ab, die in der Pflege arbeiten. Demnach werden fast 500.000 Vollzeitkräfte in der Pflege fehlen, wenn sich der Trend fortsetzt. Um Fachkräfte zu finden, braucht es kreative Ideen.

Rosemarie Amos-Ziegler konnte bislang jedes Jahr alle Ausbildungsplätze besetzen: 27 junge Menschen beginnen diesen Sommer bei der Wohngemeinschaft für Senioren (WGfS) in Filderstadt bei Stuttgart eine Ausbildung. „Wir hatten den Luxus, aus mehr als 150 Bewerbungen wählen zu können“, freut sich die Geschäftsführerin und führt dies unter anderem darauf zurück, dass sie „jedem eine Chance gibt“.

So sei etwa eine junge Frau, die früher den Rasen vor der Einrichtung gemäht hat, inzwischen Pflegedienstleiterin geworden. „Wir haben ihr Potential erkannt und sie zu einer Aus- und Weiterbildung ermutigt.“ Grundsätzlich schließe sie niemanden als Bewerber aus: Ob alleinerziehend, Schulabbrecher oder Geflüchteter: „Wer Interesse an einem Pflegeberuf hat und die entsprechende Motivation mitbringt, ist uns willkommen. Unabhängig von Schulnoten und Lebenslauf.“ Um auf ihre Einrichtung als Arbeitgeber aufmerksam zu machen, besucht die gelernte Krankenschwester regelmäßig Messen oder hält vor Schülern Vorträge über Pflegeberufe. Seit Jahren bestehen Kooperationen mit Schulen und Kindergärten vor Ort.

„Damit macht Frau Amos-Ziegler vieles richtig“, sagt Simone Stargardt, Expertin für modernes Personalmanagement. Wer Pflegehelfer oder Auszubildende sucht, sollte beispielsweise schwachen Hauptschülern oder Schulabgängern ohne Abschluss eine Chance geben. „In der Praxis bringen diese jungen Menschen oft gute Leistungen“, betont die Inhaberin der privaten Weiterbildungsakademie carriere & more mit Standorten in der Region Stuttgart, Mannheim und Würzburg.

Erhielten ehemals schlechte Schüler positives Feedback für Ihre Arbeitsleistung, würde sich das oft in guten Berufsschul-Noten widerspiegeln, weiß die Trainerin aus Erfahrung.

Die Geschäftsführung der WGfS GmbH (von links): Rosemarie Amos-Ziegler, Klaus Ziegler, Malvine Amos, Benjamin Amos. Foto: WGfS Gmbh

Die Geschäftsführung der WGfS GmbH (von links): Rosemarie Amos-Ziegler, Klaus Ziegler, Malvine Amos, Benjamin Amos. Foto: WGfS Gmbh

Da gerade lernschwachen Schülern oft die Power fehle, sich überhaupt um eine Ausbildungsstelle zu bemühen, sollten Betreiber von Pflegeeinrichtungen Kontakt zu Schulen vor Ort suchen. Und sich dabei von einem ersten Nein einer Bildungsanstalt nicht abschrecken lassen. „Während es einigen Schulen zu werblich ist, wenn ein Unternehmer über einen Ausbildungsberuf referiert, sind andere sehr offen für solche Maßnahmen“, so Stargardt. Etwa Berufsschulen mit Förderklassen für Jugendliche ohne Ausbildungsplatz. Für Schüler einen Praktikumstag oder gar einen Erlebnistag anzubieten, etwa Plätzchenbacken mit den Bewohnern, sei ein weiterer, kreativer Ansatz.

Auch die sozialen Medien lassen sich in die Suche nach Fachkräften gut mit einbeziehen: „Ein maximal vier-minütiges Video, in dem Azubis lebhaft berichten, was ihnen an ihrer Arbeit gefällt, spricht Jugendliche auf Augenhöhe an“, gibt die Betriebswirtin ein Beispiel.

Mitarbeiter der Filderstädter Wohngemeinschaft für Senioren bei einem Wanderausflug: Foto: WGfS GmbH

Mitarbeiter der Filderstädter Wohngemeinschaft für Senioren bei einem Wanderausflug: Foto: WGfS GmbH

Bei der Integration lernschwacher Jugendlicher oder Menschen mit Fluchthintergrund brauchen Heimleiter Geduld. „Es darf nicht passieren, dass jemand in eine Außenseiterposition gedrängt oder von Kollegen gemobbt wird, weil er schlechtere Noten hat oder sich vielleicht nicht so gut ausdrücken kann“, warnt Stargardt. Hilfreich bei der Integration in den Arbeitsalltag sind Mentoren oder Paten.

Bei der WGfS gibt es beispielsweise seit gut vier Jahren eine Wohlfühlmanagerin. „Wenn Arbeitgeber aus der Pflegebranche gut für ihre Mitarbeiter sorgen, verbessern sie ihr Image und eine gute Reputation hilft bei der Personalsuche“, betont Stargardt.

Der Artikel ist in der Ausgabe 01/2019 zu finden.

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