von Ina Wasilkowski (Geschäftsführerin der Greizer Senioren- und Pflegeheim gGmbH)

Die betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) oder ganzheitlich betrachtet: das betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM) ist nicht neu und die rechtlichen Möglichkeiten der Umsetzung mit Unterstützung der gesetzlichen Krankenkassen existieren bereits seit vielen Jahren.

Dennoch scheuen nach wie vor viele Träger von Pflegeeinrichtungen den Aufwand, die Zeit oder auch finanzielle Investitionen, weil insbesondere die Pflege auch ohne Zusatzaufgaben ständig am Limit arbeitet und sich die Frage stellt, ob sich der Mehraufwand lohnt.

Dabei ist die Pflege gleichzeitig auch die Branche, in der die Beschäftigten zunehmend körperlichen und psychischen Belastungen und Überlastungen ausgesetzt sind und die Maßnahmen der Gesundheitsförderung am nötigsten hat.

Aufwand vs. Nutzen

Zurück zur Frage: Lohnt sich der Aufwand, einen BGM-Prozess im Pflegebetrieb zu etablieren und wie geht man dabei sinnvollerweise vor? Klare Antwort der Greizer Senioren- und Pflegeheim gGmbH: Es lohnt sich auf jeden Fall! Aber gehen Sie es strukturiert, ganzheitlich und nachhaltig an, weil es sonst verpufft und keinen wirklichen Effekt erzielen kann.

Ich möchte Ihnen unsere Erfahrungen schildern, die Sie vielleicht ermutigen, den Schritt zu wagen. Wichtig dabei ist, sich qualifizierte Unterstützung zu holen, denn ohne diese hätten wir den jetzigen Stand wohl nicht erreicht. Außerdem sollten Sie sich darüber im Klaren sein, dass es ein langer und dauerhafter Prozess ist, der nur gemeinsam gelingt und für den der Rückhalt der Leitungsebene unerlässlich ist.

Schnelle Effekte sind eher nicht einzuplanen und die hohe Erwartung an eine Senkung des Krankenstandes wird sich im Laufe des oft jahrelangen Prozesses meist einstellen, ist aber nicht das Primärziel und es würde zwangsläufig zu Enttäuschungen führen, wenn allein vor diesem Hintergrund ein BGM im Unternehmen etabliert wird.

Sinn des Gesundheitsmanagements

Beim Gesundheitsmanagement geht es um einen umfassenden Ansatz, um eine Betrachtung des Arbeitsschutzes, der Arbeitsorganisation und der Arbeitsabläufe einschließlich der Dienstplanung und der klaren Zuweisung von Aufgaben und Kompetenzen, um Teamentwicklung, die Schulung der Führungskräfte zu Themen wie Mitarbeiterführung, Mitarbeitergespräche, Konfliktmanagement und Fehlerkultur, um betriebliches Eingliederungsmanagement, aber natürlich auch um gesundheitsfördernde Einzelmaßnahmen wie Gesundheitstage, Sportkurse, gesunde Ernährung  und Firmenlauf.

Einen positiven Effekt erzielen auch Teambildungsmaßnahmen, Betriebsfeiern und gemeinsame Unternehmungen, bei denen man zusammen etwas erlebt, Spaß hat und einfach mal abschalten kann. Aktionen, die das Wir-Gefühl stärken und die dafür sorgen, dass die Kollegen nicht nur im betrieblichen Kontext, sondern auch auf persönlicher und menschlicher, vielleicht sogar freundschaftlicher Ebene, wahrgenommen werden.

Es ist erwiesen, dass das Betriebsklima und eine gute und vertrauensvolle Verbindung gegenüber dem Team und den Vorgesetzten viel wichtiger sind, als das Gehalt und die Nummer 1 in Sachen Mitarbeiterzufriedenheit und Mitarbeiterbindung.

Wir haben gemeinsame Kinobesuche geplant, die Eisbahn gemietet, zusammen gefeiert und getanzt, eine Führung mit dem Nachtwächter organisiert und eine Spaß-Olympiade. Geplant ist ein Firmenlauf, eine Wanderung und eine Kanu-Tour und seien Sie überrascht, welche Ideen von Ihren Mitarbeiter*innen selbst kommen. Treffen Sie also zunächst gemeinsam mit den Beschäftigten, der Führungsebene und ggf. der Mitarbeitervertretung die Grundsatzentscheidung, BGM in Ihrem Unternehmen einzuführen.

Welche Rolle spielt die Krankenkasse?

Suchen Sie die Kooperation mit einer Krankenkasse Ihrer Wahl, so wie wir dies mit der AOK Plus getan und einen Kooperationsvertrag abgeschlossen haben. Diese unterstützt Sie bei der Einführung des BGM und der sich anschließenden Bedarfsanalyse, die idealerweise über eine anonyme Mitarbeiterbefragung erfolgt, die sich auf alle Arbeitsbereiche bezieht und deren Auswertung Aufschluss über die individuellen Handlungsfelder in Ihrer Einrichtung gibt.

Wie schätzen die Mitarbeiter die Arbeitsbedingungen ein, die Dienstzeiten, fühlen Sie sich ausreichend informiert, passt die Kommunikation, wie ist das Verhältnis zur Führungskraft und zum Team?

Wird eine Pausenversorgung gewünscht, gibt es Ruheräume und können Pausen überhaupt eingehalten werden oder führt das ständige Laufen nach der Klingel zu dem Gefühl, nicht in Ruhe essen zu können und keine Minute frei zu haben?

Für uns hat die AOK Plus gemeinsam mit uns die Entwicklung der Fragebögen und den Druck übernommen, Wahlurnen oder alternativ Rücksendeumschläge direkt an die Krankenkasse zur Verfügung gestellt, um die Anonymität verlässlich zu gewährleisten.

Auch die valide Auswertung ist für Laien nicht einfach und es war insofern überaus hilfreich, dass dies ebenfalls übernommen und im Rahmen einer ausführlichen Präsentation zur Verfügung gestellt wurde. So konnten wir unseren Bedarf analysieren und daraus folgend Maßnahmen ergreifen.

Was konnten wir beobachten?

Es haben sich, beginnend mit der Grundsatzentscheidung Ende 2018 bis heute, zahlreiche Veränderungsprozesse angeschlossen, die nicht immer einfach waren und die bis heute nicht abgeschlossen sind. Prozesse, die in Arbeitsabläufe eingreifen und gewohnte Strukturen aufbrechen.

Mit Rückfällen, gerade in der Coronazeit, in der man auf Bewährtes zurückgreifen musste und keine Spielräume für Umbrüche und Probephasen auf einzelnen Wohnbereichen hatte, mussten wir zurechtkommen.

Es finden Personalentwicklungsmaßnahmen und Coaching statt, die Umgang, Konflikte, Gesprächskultur und Mobbing thematisieren. Ebenso ist die Schulung der Wohnbereichsleiter ein zentraler Baustein, die fachlich hoch qualifiziert sind und denen man irgendwann auf die Schulter geklopft und gesagt hat, dass sie nun Leitungskraft sind, was letztlich nur Dienstplanverantwortung hieß. Denen jedoch niemals mitgegeben wurde, wie gesunde Personalführung funktioniert, wie ein Mitarbeitergespräch ablaufen sollte, wie man Teamkonflikte deeskaliert.

In einer Zeit, in der das Thema Personal immer schwieriger wird und die Anforderungen an Mitarbeiterführung steigen, sich auch das Verständnis weg von einer hierarchischen Führungskultur und hin zu einer Kultur der Partizipation, der Mitbestimmung und Führung auf Augenhöhe verändert hat, ist Weiterentwicklung unumgänglich, wenn man Wert legt auf gesunde Strukturen, langfristige Mitarbeiterbindung und ein Bestehen im hart umkämpften Wettbewerb um Pflegekräfte.

Der Aufwand lohnt sich!

Preisverleihung Leipzig - Foto: Sebastian Willnow

Preisverleihung Leipzig – Foto: Sebastian Willnow

Nach 3 Jahren BGM-Prozess und einer Qualifizierung der Geschäftsführerin zur Betrieblichen Gesundheitsmanagerin über einen Zertifizierungskurs an der Ernst-Abbe-Hochschule Jena hatten wir uns entschieden, zu unseren Erfahrungen und unserem Vorgehen ein Konzept zu schreiben und dieses für den von der AOK ausgelobten BGF-Preis „Gesunde Pflege“ 2021 einzureichen.

Die Freude war riesig, als wir im Herbst letzten Jahres erfahren haben, dass wir zu den 3 nominierten Preisträgern gehören und dass die insgesamt 18 Preisträger der einzelnen AOK-Bereiche automatisch am Bundeswettbewerb der AOK in Berlin teilnehmen.

Tatsächlich haben wir dann auch noch den unter dem Motto „Gesund planen, doppelt gewinnen“ stehenden AOK-Bundespreis gewonnen und im Zuge dieser Ehrung als Leuchtturm der Pflege bezeichnet zu werden, ist für die Mitarbeiter*innen Wertschätzung, Anerkennung und Motivation.

Wir werden daher auf jeden Fall weitermachen und uns mit neuen Konzepten und Ideen für die Gesundheit unserer Beschäftigten stark machen und wir wünschen Ihnen, dass Sie diesen Weg auch für sich nutzen können.

Der Artikel ist in der Ausgabe 02/2022 zu finden.

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