Von Herbert Mauel

Herbert Mauel - Foto: Bpa

Herbert Mauel – Foto: Bpa

Auf die Altenpflege kommen große Herausforderungen zu. Hierzu gehören die Ausgestaltung der Pflegeversicherung, die Finanzierung der Angleichung der Gehälter an das Niveau in Krankenhäusern sowie die angemessene Personalausstattung.

Weitgehende Einigkeit besteht über eine Begrenzung der persönlichen Zuzahlung der Heimbewohner sowie ihrer Angehörigen. Bei politisch forcierter Anpassung des Gehaltsniveaus bei unveränderter Pflegesachleistung wurde es den Heimleitern überlassen, die teils deutliche Steigerung der Eigenbeteiligung vor Ort zu erklären.

Insbesondere in den östlichen Bundesländern hat dies zu heftigen Diskussionen geführt, auch wenn die nun höhere Belastung meist über 1.000 Euro niedriger ausfällt als seit Jahr und Tag in Bundesländern wie Bayern, Baden-Württemberg oder Nordrhein-Westfalen. Paradox: Ein Sockel-Spitze-Tausch würde den Ländern mit den höchsten Zuzahlungen auch die höchsten Leistungen aus der Pflegeversicherung bescheren.

Die Wettbewerbssituation um Pflegefachkräfte zeigt sich deutlich z. B. in Bremen. Wenn dort ein großer Krankenhausträger mit einer fünfstelligen Werbeprämie für jede neue Fachkraft wirbt, gefährdet dies unmittelbar die Personalausstattung in der Altenpflege. Dem gut ausgestatteten Krankenhaus wird absehbar die Möglichkeit fehlen, Patienten in ein Pflegeheim oder in die Obhut eines ambulanten Pflegedienstes zu entlassen.

Unberührt von dieser politisch initiierten Wettbewerbsverzerrung bleibt aber das demografische Problem bezogen auf die Erwerbstätigen weitgehend unbeachtet. Dabei ist es alarmierend, wenn die Zahl der pflegebedürftigen Menschen rasch wächst, parallel aber die Zahl der Erwerbspersonen auch in der Pflege absehbar schrumpft.

Die kürzlich von Prof. Dr. Heinz Rothgang vorgestellte prognostizierte Steigerung der Heimentgelte um 35 Prozent, dürfte in erster Linie ein vorweggenommenes Resultat der Studie zur Personalausstattung in Pflegeheimen sein. Eine ähnliche Personalmehrung würde insbesondere Pflegefachkräfte entlasten und deren qualifikationsgerechten Einsatz ermöglichen.

Mit Blick auf die demografische Entwicklung der Erwerbstätigen wird aber auch deutlich, dass jede Personalmehrung direkte Folgen für die Zahl der insgesamt zu versorgenden pflegebedürftigen Menschen hat. Während die öffentliche und die politische Diskussion sich auf die Begrenzung der Zuzahlung pflegebedürftiger Menschen sowie die Steigerung der personellen Ausstattung und Bezahlung der Beschäftigten konzentriert, werden beide Augen verschlossen vor der absehbar wachsenden Versorgungslücke.

Rothgang prognostiziert schon bei unveränderter Personalausstattung eine Versorgungslücke von 20 Prozent in knapp zehn Jahren (um 15 Prozent steigende Heimbewohnerzahlen und um 6 Prozent abnehmende Pflegefachkräftezahl). Damit blieben über 150.000 pflegebedürftige Menschen, die einen Heimplatz brauchen, künftig ohne realistische Aussicht auf adäquate Versorgung; eine Katastrophe für die Familien.

Eine weitere Verbesserung der personellen Ausstattung – die übrigens nie so hoch war wie heute – führt damit zu der notwendigen Entlastung der Pflegenden bei steigenden Kosten und weiter wachsenden Versorgungslücken; die Sicherung eines flächendeckend vorhandenen pflegerischen Angebots spielt in der politischen Diskussion bisher nahezu keine Rolle.

Die oft angeführte Tendenz zur finanziellen Überforderung der pflegebedürftigen Menschen ließe sich schnell und dauerhaft mindern, wenn nur die Finanzierungsverantwortung richtig zugeordnet würde. Alleine die systematische Ungleichbehandlung bei der Finanzierung der Behandlungspflege führt dazu, dass statt der unstrittig eigentlich zuständigen Krankenversicherung bis heute die Heimbewohner monatlich mit 300 Euro belastet werden. Hinzu kommt, dass auch die Bundesländer ihrer gesetzlichen Aufgabe nicht nachkommen. Würden Sie für jeden belegten Platz im Rahmen einer Subjektförderung die Investitionskosten tatsächlich übernehmen, wäre damit eine Entlastung der Heimbewohner um weitere 500 Euro verbunden.

Mehr als überfällig ist zudem die Änderung der fachlich unbegründeten Fachkraftquote. Diese richtet sich bisher nicht etwa nach der vom bpa seit Jahren geforderten qualifikationsgerechten Zuordnung der Tätigkeiten, sondern nach einer schlichten Quote. Wer flächendeckende Versorgung und begründete Qualität will, muss hier ansetzen.

Sinnvoll, einfach und schnell umsetzbar wäre eine nach Pflegegraden differenzierende Fachkraftquote. Denkbar wäre z. B. eine deutlich geringere Fachkraftquote in Pflegegrad II von etwa 20 Prozent zu Gunsten einer deutlich höheren Fachkraftquote von 60 in Pflegegrad V.

Kurzfristige politische Handlungsmöglichkeiten sind somit gegeben: Systemgerechte Finanzierung der Behandlungspflege durch die Krankenversicherung, subjektbezogene Übernahme des Investitionskostenanteils durch die Bundesländer sowie qualifikationsgerechter Personaleinsatz durch eine nach Pflegegraden differenzierte Fachkraftquote.

Der Artikel ist in der Ausgabe 01/2020 zu finden.

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