Wann kann der Heimträger einen Heimvertrag kündigen?

Ist ein Bewohner mit den Leistungen des von ihm gewählten Pflegeheimes nicht zufrieden, kann er den Heimvertrag gemäß § 11 des Wohn- und Betreuungsvertragsgesetzes (WBVG) bis zum dritten Werktag eines Monats zum Ende des Monats kündigen. Doch welche Möglichkeiten hat ein Heimträger, wenn er sich aus sachlichem Grund von einem Heimbewohner trennen möchte?  

Der Gesetzgeber lässt die Kündigung des Heimvertrages durch den Heimträger nur unter sehr strengen Voraussetzungen zu, nämlich nur dann, wenn dafür ein wichtiger Grund vorliegt. Zwar eröffnet der Gesetzgeber bei verhaltensbedingten Gründen dem Heimträger sogar das Recht, den Heimvertrag fristlos zu kündigen, setzt dabei jedoch besonders strenge Maßstäbe an. Gemäß § 12 Absatz 1 Satz 3 Ziffer 3 WBVG muss der Bewohner hierfür seine vertraglichen Pflichten schuldhaft und so gröblich verletzt haben, dass dem Heimträger die Fortsetzung des Vertrages nicht mehr zugemutet werden kann. Wann das der Fall ist, kann grundsätzlich nur anhand der Umstände des konkreten Einzelfalls ermittelt werden. Da die Heimträger bislang auch bei schwierigen und betreuungsintensiven Bewohnern sehr zurückhaltend mit der Kündigung von Heimverträgen umgehen, gibt es soweit ersichtlich keine einschlägige Rechtsprechung zu diesem Thema. Die 3. Zivilkammer des Landgerichts Freiburg hat sich jedoch als Berufungsgericht neuerlich genau mit dieser Frage ausführlich auseinandergesetzt und in seinem Urteil vom 05.07.2012 (Aktenzeichen: 3 S 48/12) hilfreiche und praxisrelevante Ausführungen vorgenommen. Im zu entscheidenden Fall hatte eine Bewohnerin wiederholt und beharrlich gegen ein Rauchverbot der Einrichtung verstoßen. Die Kammer hielt hier eine Kündigung für zulässig. Es handelte sich dabei um eine Verletzung vertraglicher Pflichten, weil das Rauchverbot direkt in dem Heimvertrag aufgenommen worden war. Gleiches würde natürlich gelten, wenn ein Rauchverbot in einer allgemeinen Hausordnung als Anlage zum Heimvertrag genommen wird. Eine beharrliche Pflichtverletzung bejahte die Kammer aufgrund der Vielzahl der dokumentierten Verstöße. Diese Pflichtverletzung wiege auch hinreichend schwer und erfülle damit die Voraussetzung der ‚Gröblichkeit’, weil vertragswidriges Rauchen im Bewohnerzimmer schwerwiegende Gefahren mit sich bringe. Im konkreten Fall stand die Bewohnerin unter einer Betreuung und wandte deshalb ein, dass sie gar nicht schuldfähig sei und deshalb auch keine schuldhaften Pflichtverletzungen begehen könne. Dies wertete die Kammer jedoch anders. Die Tatsache, dass die Bewohnerin unter einer Betreuung stehe, genüge nicht, um ihre Schuldfähigkeit auszuschließen, so die Kammer. Sie machte sich in der Hauptverhandlung einen persönlichen Eindruck von der Bewohnerin und befand aus eigener Anschauung, dass diese offensichtlich verstanden habe, dass es ihr nicht gestattet sei, auf dem Zimmer zu rauchen. Dies genüge, so die Kammer. Sie hielt es dabei für möglich und unterstellte der Bewohnerin zu ihren Gunsten, dass sie in ihrer Einsichts- und Steuerungsfähigkeit durchaus eingeschränkt sei. Nach ihrem persönlichen Eindruck in der mündlichen Verhandlung sei sie aber überzeugt, dass die Verschuldensfähigkeit der Beklagten nicht ausgeschlossen ist. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Nachweis, dass eine Verschuldensfähigkeit vorliegt, ist hiernach also nicht erforderlich. [[wysiwyg_imageupload:508:]]

Weiterhin hatte der Heimträger seine Kündigung darauf gestützt, dass die Bewohnerin im Zimmer Essensreste ausgespuckt und aus dem Fenster geworfen und außerhalb des Heimes gebettelt hätte. Der unhygienische Umgang mit Essen rechtfertige eine Kündigung im Gegensatz zum Verstoß gegen ein Rauchverbot nicht, so die Kammer. Denn derartige Vorgänge seien in einem Pflegeheim nicht so ungewöhnlich, dass einzelne Vorfälle ohne Hinzutreten weiterer Umstände einen Kündigungsgrund darstellen können. Die Kammer eröffnete damit also grundsätzlich auch in diesen Fällen bei Hinzutreten besonderer Umstände ein Kündigungsrecht. Zu denken wäre dabei zum Beispiel dann, wenn das kontinuierliche Werfen von Essensresten aus dem Fenster Ratten anlockt und damit ein Gesundheitsrisiko begründet.  

Das Betteln außerhalb der Einrichtung stelle keine Verletzung vertraglicher Pflichten dar und eröffne deshalb auch kein Kündigungsrecht, so die Kammer. Das Betteln im öffentlichen Raum sei straßen- und polizeirechtlich zulässig. Ein in einem Heimvertrag extra aufgenommenes Bettelverbot außerhalb der Einrichtung führe zu keinem anderen Ergebnis, weil ein solches Verbot einen Grundrechtseingriff begründen würde und damit unzulässig sei. Im zu entscheidenden Fall hatte der Heimträger auch gegenüber dem Ehemann der Bewohnerin, mit dem sie sich ein Doppelzimmer teilte, ausgesprochen. Diese Kündigung wurde jedoch vom Landgericht gekippt, weil dem Ehemann selbst keine solchen beharrlichen und gröblichen Pflichtverletzungen nachgewiesen werden konnten. Mit beiden Bewohnern seien getrennte Verträge abgeschlossen und diese bilden weder eine wirtschaftliche noch eine sachliche Einheit. Eine Zurechnung fremder Pflichtverletzungen komme daher nicht in Betracht, so die Kammer. 

Kurzinfo

Rechtsanwältin Alexandra Zimmermann

+49 511 336509-0

http://zimmermann-heimrecht.de/

Fachkanzlei für Pflegeheime und Pflegedienste. Rechtsanwältin Alexandra Zimmermann ist bereits langjährig Fachanwältin mit der Spezialisierung im Gesundheitswesen.

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