Wartung versäumt!

Ein Artikel von Johanna Knüppel, Referentin Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe, Berlin

Deutschen Pflegeeinrichtungen gehen die Fachkräfte aus! Standen vor einigen Jahren die gut qualifizierten Bewerberinnen und Bewerber noch Schlange und mussten sich oft genug mit kurz befristeten, schlecht dotierten Arbeitsplätzen zufrieden geben so hat sich das Blatt gewendet. Vor allem in Ballungsräumen berichten Arbeitgeber, dass es immer schwieriger werde, freie Pflegefachkraftstellen angemessen zu besetzen. Besonders knapp und inzwischen auch teuer sind Berufserfahrene mit Zusatzqualifikation. Und trotz „Fangprämien“, tariflicher Zulagen, Erstattung von Umzugskosten oder der Aussicht auf das Jobticket lassen sich die begehrten und umworbenen Mitarbeiter nicht mehr anlocken. Woran liegt das und was ist zu tun, um Pflegefachkräfte zu finden und auch zu halten? Wie sieht aus Sicht von Pflegenden ein guter Arbeitsplatz aus?

Auch wenn Verantwortungsträger dies nicht gern hören – der Pflegefachkräftemangel kam nicht plötzlich. Aus berufspolitischer Sicht muss man sogar sagen: Er ist zu einem Teil hausgemacht. Immer mehr Arbeit wurde auf immer weniger Schultern von Pflegenden verteilt, seit Jahren ist ihr Arbeitsalltag geprägt von immenser Belastung, hohem Arbeitstempo und einem immer weniger kalkulierbaren Arbeitsanfall. Ein attraktiver Beruf sieht wahrlich anders aus![[wysiwyg_imageupload:379:]]

„Wir wissen nicht, wie wir die Bereiche besetzen sollen. Durch Urlaub und Krankheit sind so viele Pflegefachkräfte ausgefallen, dass nichts mehr geht. Und die Kollegen wollen nicht mehr einspringen!“ klagt eine Heimleiterin. Na endlich, möchte man da sagen. Endlich haben die verbliebenen Pflegenden begriffen, dass sie durch immer mehr Einsatz ein instabiles System nicht aufrecht halten können. Eine extrem ausgedünnte Personaldecke reißt eben, wenn die Haupturlaubszeit kommt und zusätzlich jemand krank wird. Mitarbeiter, die über viele Jahre übermäßig belastet wurden, sind zudem anfälliger, bleiben länger krank und resignieren angesichts solcher Kardinalfehler im Management.

Es ist selbstverständlich, dass medizinische Technik gewartet und gepflegt werden muss, um verlässlich zu funktionieren. Dafür wenden Unternehmen viel Geld auf. Warum wird die ‚Humanressource‘ dagegen kontinuierlich verschlissen? „Wir prüfen unsere Ausrüstung monatlich, wöchentlich oder sogar täglich. Aber wann schauen wir uns eigentlich einmal den lebenden, äußerst empfindlichen und wertvollsten Teil der Geräte an – Sie und mich? Jeder Rollstuhl wird besser gewartet als Mitarbeiter“, sagte eine Pflegemanagerin zu den Teilnehmern eines Kongresses in England.

Das Bundesgesundheitsministerium meint zu wissen, was Pflegekräfte wünschen und sie im Beruf halten kann:

– die generalisierte Pflegeausbildung,

– mehr Ansehen und Wertschätzung für den Beruf,

– angemessene Vergütung (deshalb die Einführung des Pflege-Mindestlohns);

– Supervision, und

– Bürokratieabbau.

Vielleicht hätte man die Pflegenden selbst einmal fragen sollen. Auf die Frage, was einen guten Arbeitsplatz in der Pflege ausmacht, kommen immer dieselben Antworten:

– Ausreichend Zeit, den Beruf so auszuüben, wie man ihn gelernt hat; pflegerisches Wissen anwenden und umsetzen können. Gelegentliche Arbeitsspitzen sind normal, dürfen aber nicht zum Dauerzustand werden.

– Gestaltungsspielräume und Autonomie entsprechend der Qualifikation.

– Fordern und Fördern.

– Wertschätzender Umgang, gute Führung.

– Dass man mit seinem Verdienst auch seinen Lebensunterhalt bestreiten kann gehört natürlich dazu, das Gehalt sollte Qualifikation und Verantwortung entsprechen und motivieren. Niemand, der diesen Beruf wählt, erwartet aber, damit reich zu werden.[[wysiwyg_imageupload:381:]]

Eine Pflegedienstleitung, die seit Monaten zwei Stellen vergeblich zu besetzen versucht, lässt auf deren Wunsch hin eine vielversprechende Bewerberin einen Tag hospitieren. Am Ende springt die Bewerberin ab. „Ich kann das gut verstehen, wer tut sich das auch an? Wir haben ja nur viel Arbeit, ständiges Rennen, fehlende Pausen und ein eher mageres Tarifgehalt zu bieten! Womit soll ich punkten?“so das Resümee der enttäuschten PDL, die sich große Hoffnungen gemacht hatte. Recht hat sie! Was nützen Imagekampagnen, großformatige Stellenanzeigen in Hochglanz oder die mit blumigen Worten versprochene Work-Life-Balance, wenn die Berufsrealität anders aussieht und auf Dauer krank macht? Wenn ohne Not gegen geltendes Arbeitsrecht verstoßen wird ohne dass jemand einschreitet. Wenn die Zeit fehlt, kritische Situationen frühzeitig zu besprechen, und sie dadurch zu Konflikten eskalieren. Wenn die eigene Professionalität ökonomischen Vorgaben geopfert werden muss. Wenn ein eigentlich wunderbarer, erfüllender und vielseitiger Beruf kaputtgeht und alle nur zusehen.

Die Last der Pflegearbeit wird heute in erster Linie von einer mittleren und älteren Generation getragen, der Altersdurchschnitt liegt bei etwa 48 Jahren mit steigender Tendenz. Dies zeigt erfreulicherweise, dass Pflegefachpersonen, dank flexibler Arbeitszeitregelungen und Teilzeit, immer länger im Beruf verweilen. Die kontinuierlich steigenden Krankenstände und im Branchenvergleich hohen Quoten an Frühberentung sind allerdings auch Ausdruck der jahrelang überhöhten Belastung. Solange die nicht schnell und spürbar reduziert wird bleibt der Beruf unattraktiv. Was wir dringend brauchen sind eine vom Bedarf der Patienten abgeleitete Pflegepersonalbemessung und geänderte politische Rahmenbedingungen.

Pflegende sind nicht anspruchsvoll, sondern hoch motiviert, belastbar, verlässlich, loyal, verantwortungsbewusst – unverzichtbare Säulen unseres Gesundheitssystems. Wenn ein Arbeitgeber angesichts der Situation auf dem Fachkräftemarkt neben guten und gesunden Arbeitsbedingungen weitere Anreize zu bieten versucht wie z.B. den kostenlosen Parkplatz, die schichtentsprechende Kinderbetreuung, das gesundheitsfördernde Wellness-Wochenende oder den verlässlichen Dienstplan, wird ihm das sicherlich Bonuspunkte im Wettbewerb verschaffen. Wartung versäumt? Viele pflegerische Einrichtungen haben bei ihrem Stammpersonal einiges gutzumachen, es wird nicht einfach werden, Vertrauen zurück zu gewinnen. Wer heute aber konsequent und nachhaltig für wirksame Entlastung sorgt und dabei über die nächste Jahresbilanz hinaus denkt bindet nicht nur eigene Fachkräfte, sondern gewinnt neue. Mitarbeiterorientierung spricht sich herum!

Kurzinfo

Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) - Bundesverband e.V.

+49 30 219157-0

http://www.dbfk.de/

Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe ist die Interessenvertretung von Beschäftigten und Selbständigen der Gesundheits- und Krankenpflege sowie der Altenpflege.

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