von Dipl.oec.troph. Margarete Nowag

Richtlinien, Ernährungspläne, Pflegeorganisation – das alles bildet den Rahmen innerhalb dessen sich die Mahlzeiten eines Pflegeheims bewegen. Doch Essen ist in unserer Gesellschaft mehr als die reine Energieversorgung: es bedeutet Geselligkeit und resultiert aus Gewohnheiten. Die Anforderungen an Heime sind hoch, denn es gibt eine große Spannbreite: Zwischen Restaurant-ähnlicher Verpflegung für alltagsaktive Senioren und speziellen Kostformen für Kranke oder Pflegebedürftige ist alles möglich. Wer außer dem Gesundheitszustand der Bewohner auch individuelle Essensvorlieben, Abneigungen, Gewohnheiten und Rituale berücksichtigt, erschließt damit nicht nur soziale Komponenten, sondern wird auch die Zufriedenheit steigern.

In Deutschland lebten laut Pflegestatistik¹ im Jahr 2011 rund 2 Millionen Pflegebedürftige, die 65 Jahre und älter waren. Rund 67 Prozent wurden zu Hause versorgt, während etwa 33 Prozent in den deutschlandweit 10.700 Einrichtungen der vollstationären Dauerpflege lebten, die zu 94 Prozent überwiegend ältere Menschen versorgten.

Die Aspekte der alltäglichen Ernährung und die Bedeutung des Essens miteinander zu vereinbaren, den individuellen Wünsche gerecht zu werden, Selbstbestimmtheit zu erhalten und die Würde der älteren Menschen zu bewahren, ist eine große Herausforderung für die Mitarbeiter in stationären Senioreneinrichtungen.²

Ernährung hat eine besondere Bedeutung. Sie beinhaltet die Bereitstellung einer qualitativ hochwertigen, bedarfsgerechten und gesundheitsfördernden Verpflegung. Daneben erfüllen gemeinsame Mahlzeiten wichtige soziale und kulturelle Funktionen, bieten Orientierung und Struktur oder regen zu Gesprächen und Geselligkeit an. Für Senioren kann die traditionelle Mahlzeit in einer als fremd empfundenen Umgebung ein Gefühl von Geborgenheit hervorrufen.

Welchen besonderen Energie- und Nährstoffbedarf haben ältere Menschen?

Statistisch gesehen sinkt der Energiebedarf bereits ab dem vierunddreißigsten Lebensjahr auf 90 Prozent. Mit dem sechsundfünfzigsten Lebensjahr sind es nur noch 75 Prozent und bei Menschen über 75 wird nur noch mit 65 Prozent gerechnet. Er senkt sich durch den niedrigeren Leistungsumsatz, der sich aus alltäglichen Aktivitäten in Beruf und Freizeit ergibt. Des weiteren sinkt bei vielen Senioren die Muskelmasse. Diesem Phänomen kann durch Bewegung und gezielten Sport entgegengewirkt werden.

Der Nährstoffbedarf ist zwar ähnlich wie bei Menschen unter 50 Jahren, die alltägliche Nährstoffdeckung hängt aber von der Versorgungsstruktur und individuellen Gegebenheiten ab (Umsetzung der D-A-CH-Referenzwerte):

  • Ältere Menschen benötigen hochwertiges Eiweiß. Die deutscher Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt rund 1g Eiweiß pro Kilogramm Normalgewicht.
  • Der Fettbedarf liegt bei 30%, die Auswahl sollte den Bedarf an ungesättigten Fettsäuren, Omega3-Fettsäuren und Fett als Geschmacksträger berücksichtigen.
  • Zur besseren, regelmäßigen Verdauung sollten 55 % Kohlenhydrate in Form von Obst und Gemüse, Kartoffeln und möglichst Vollkornprodukten als Lieferant für Vitamine und Mineralstoffe, sekundäre Pflanzenstoffe und Ballast angeboten werden.
  • Vitamine und Mineralstoffe sind vor allem in Obst und Gemüse, Vollkornprodukten und vollwertigen Lebensmitteln enthalten. Vorsicht ist geboten bei Mangelerscheinungen wie erhöhter Infektanfälligkeit, Antriebslosigkeit oder Müdigkeit

Veränderungen der Körperfunktionen beeinflussen die tägliche Ernährung, sie prägen den Alltag im Umgang miteinander, sie haben Einfluss auf die Seele und Autonomie.

Was verändert sich?

  • Sinnesvermögen: Das Sehen, Riechen, Schmecken nimmt ab
  • Kau- und Schluckbeschwerden: Mundtrockenheit, Zahnverlust, Schluckstörungen
  • Hunger und Durst: geringerer Energiebedarf, Abnahme des Durstempfindens, veränderte Hunger- und Sättigungsregulation, verminderter Appetit; Verminderung der Essportionen und eine Vorliebe für besondere Geschmacksrichtungen wie süß
  • Verdauung: Störungen durch fehlende Magensäure, Intrinsic-Faktor
  • Muskelmasse/Beweglichkeit: Verminderung (Sarkopenie) und Mobilitätsstörungen
  • Geistiger und psychischer Zustand: Vergesslichkeit, Verwirrtheit, Demenz, Traurigkeit, Depressionen, Essensverweigerung
  • Krankheits- und Medikamenteneffekte: erhöhter Nährstoffverlust und dadurch erhöhter Bedarf, Behinderung der Nahrungsaufnahme, Verdauungsstörungen

Gezielte Maßnahmen bei einzelnen Veränderungen fordern einen professionellen und würdevollen Umgang mit den Senioren.

Die Gestaltung der Verpflegung

Die Mahlzeiten sind für die Senioren ein wesentlicher Bestandteil des Alltags, für manche Höhepunkt des Tages, für andere eine Belastung durch Komplikationen, Erkrankungen, Stimmungslagen. Die Einrichtung kann mit Qualitätsstandards in der Versorgung, gute Organisation der Mahlzeiten und das aktive Leben von Ritualen den Senioren ein sicheres Gefühl geben. Durch individuelle Lösungen für Wünsche und Bedürfnisse der Bewohner entsteht gerade beim Essen und Trinken ein Gefühl von Heimat und Lebensqualität.

Jeder Mensch ist durch Erziehung und soziale Systeme unterschiedlich sozialisiert, insbesondere im Bereich Essen und Trinken, der alltäglichen Ernährung.

Die Essbiografie ermöglicht es, individuelle Gewohnheiten und Wünsche kennenzulernen und beugt einer möglichen Mangelernährung vor. Hier werden wichtige Fragen geklärt wie Herkunft, berufliche Tätigkeit, der übliche Tagesablauf und religiöse, ethnische und kulturelle Hintergründe. Wann hat wurde bisher warm, wann kalt gegessen, wie waren die Mahlzeiten verteilt? Welche Rituale gab es im bisherigen Leben, welche Vorlieben und Abneigungen, Unverträglichkeiten und Krankheiten? Welche Geschichten kann der alte Mensch zu Gerichten erzählen?

Grundpfeiler einer optimalen Versorgung:

Die regelmäßige Getränkeversorgung zu und neben den Mahlzeiten ermöglicht eine gesunde Trinkmenge, ein stetes Bereitstellen und Erinnern ist notwendig.

Die tägliche Verpflegung beruht auf die zielgruppengerechter, optimaler Lebensmittelauswahl, einer abwechslungsreichen Speisenplanung, nährstoffschonender Speisenherstellung und Wärmehaltung zur Sicherstellung der Qualität der Speisen.

Die Sensorik bestimmt die Akzeptanz des Essens: Aussehen, Geschmack, Konsistenz, Haptik bei Fingerfood

Das Speisenangebot bei besonderen Anforderungen wird erforderlich, da mit steigendem Alter körperliche und psychische Veränderungen eintreten können. Diese Veränderungen der Körperfunktionen müssen bei Zubereitung und Zusammenstellung der alltäglichen Ernährung berücksichtigt werden. Eine Umsetzungsmöglichkeit ist Eat by Walking: Senioren mit einem sehr hohen Maß an Unruhe und Aktivität wird ermöglicht, im Gehen zu essen. Sie können sich an Imbiss-Stationen nachnehmen, die Mitarbeiter achten auf die optimale Versorgung und andererseits die hygienischen Rahmenbedingungen.

Die Essatmosphäre, die Esszeiten, Raum- und Tischgestaltung prägen die Esssituation, fördern den Appetit und Wohlergehen beim Essen.

Ein serviceorientierter Umgang und Hilfsmittel wie besonderes Besteck oder Tassen erleichtern das Essen und Trinken und führen zu angenehmem und empathischem Miteinander.

Hochwertiges Eiweiß-gut kombiniert!

Folgende Kombinationen schmecken gut, sind leicht bekömmlich und liefern besonders hochwertiges Eiweiß unter Berücksichtigung des Fettgehaltes. (Quelle Debinet)

LebensmittelkombinationBeispiel
Kartoffeln + MilchproduktePellkartoffeln mit Kräuterquark
Kartoffelpüree (selbst zubereitet)
Kartoffelauflauf mit Gemüse und Käse überbacken
Kartoffeln + EiKartoffeln mit Rührei und Spinat
Kartoffelauflauf
Bauernomelett
Getreide + MilchprodukteMüsli
Haferflockenbrei
Milchreis
Käsebrot
Hirseauflauf
Hülsenfrüchte + MilchprodukteLinsensuppe mit Joghurt oder Quarkspeise als Dessert
Bohneneintopf, Hüttenkäse mit Obst als Dessert

Quellen:

1 Pfaff H: Statistisches Bundesamt, Pflegestatistik 2011 Deutschlandergebnisse, Wiesbaden 2013; 9, 16

2 Quelle: DGE: Qualitätsstandards für die Verpflegung in stationären Seniorenheimen

Kurzinfo

Bildungshaus-Hamburg

https://www.Bildungshaus-Hamburg.de

Über die Autorin: Margarete Nowag ist Ernährungtherapeutin für Einzelpersonen und Gruppen. Sie entwickelt Beratungskonzepte, für besondere Zielgruppen und leitet ein Weiterbildungsinstitut rund um das Thema Ernährung

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